Wer haftet bei kartellrechtlichen Verstößen vor dem Hintergrund eines Wechsels des Mutterkonzerns?

Ist ein Tochterunternehmen an einem Kartell beteiligt und wechselt es während des Bußgeldverfahrens der Kommission den Mutterkonzern, haften beide Mutterkonzerne. Diese Ansicht der Europäischen Kommission hat der Europäische Gerichtshof bestätigt.

Ist ein Tochterunternehmen eines Konzerns an einem Kartell beteiligt und wird das Tochterunternehmen noch vor dem Bußgelderlass der Kommission aus dem alten Mutterkonzern aus- und in einen neuen, fremden Mutterkonzern eingegliedert, bspw. durch Verkauf, stellt sich die Frage nach der Haftung des alten und neuen Mutterkonzerns.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun geurteilt, dass durchaus mehrere Mutterkonzerne für kartellrechtliche Verstöße des Tochterunternehmens haften können. Dies ist der Fall, wenn die Kommission nachweisen kann, dass die jeweiligen Mutterkonzerne während der Dauer des Kartells mit dem betroffenen Tochterunternehmen eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben. Es kommt folglich nicht darauf an, ob das Tochterunternehmen vor Eingliederung in den neuen Mutterkonzern bereits am Kartell teilgenommen hat. Auch wenn der Bußgelderlass der Kommission nach Ausgliederung des betroffenen Tochterunternehmens ergeht, entlässt das den ehemaligen Mutterkonzern nicht aus der Haftung. Entscheidend ist, ob das Tochterunternehmen während der Teilnahme am Kartell in einer wirtschaftlichen Einheit mit dem Mutterkonzern gewesen ist. Wenn ja, ergibt sich daraus die jeweilige Haftung.

Aus der Ansicht der Kommission und des EuGH ergibt sich folglich, dass es zu zwei gesamtschuldnerischen Strafen kommt: der erste Mutterkonzern gesamtschuldnerisch mit dem Tochterunternehmen, sowie der zweite Mutterkonzern gesamtschuldnerisch mit dem Tochterunternehmen. Der erste Mutterkonzern kann sich somit nicht aus der Haftung „stehlen“, indem er vor Erlass des Bußgeldbescheides das Tochterunternehmen abstößt.