Kommt das Unternehmensstrafrecht? Wir stellen drei Vorschläge vor

Im Zusammenhang mit den immer häufiger in den Fokus der Öffentlichkeit tretenden Compliance-Pflichten von Unternehmen bzw. deren Leitung ist ein eigenes Unternehmensstrafrecht immer wieder gefordert worden. Bisher können nur natürliche Personen Täter im strafrechtlichen Sinne sein. Wir stellen drei ausgereifte Reformvorschläge vor, die dies ändern könnten.

Unternehmensstrafrecht schon länger in der Diskussion

Ein spezielles Unternehmensstrafrecht und Verbandsstrafrecht befindet sich schon seit längerem in der Diskussion, die nicht nur Juristen an den Universitäten betrifft. Ein solches Strafrecht für juristische Personen könnte in näherer Zukunft Realität werden. Bislang werden Verstöße gegen Compliance-Pflichten nur nach Maßgabe des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) und im Wesentlichen mit Geldbußen geahndet. Aktuell liegen drei Reformvorschläge von der staatlichen Verwaltung, der rechtlichen Praxis und aus der Wirtschaft vor, die unterschiedliche Ansätze verfolgen.

1. Der Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen

Von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen stammt der Vorschlag, um ein eigenes Unternehmensstrafrecht zu schaffen, ein Verbandsstrafgesetzbuch (VerbStrG) einzuführen. Danach könnten sich Unternehmen bei Verletzung von Compliance-Pflichten selbst strafbar machen. Als „Verbandsstrafen“ sieht der Entwurf eine breite Palette unterschiedlicher Sanktionen vor: eine Verbandsgeldstrafe, eine Verbandsverwarnung mit Strafvorbehalt und die zwingende Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung.

Des Weiteren sieht der Entwurf weitere „Verbandsmaßregelungen“ vor. Obwohl dieser Begriff harmloser anmutet, als der der „Verbandsstrafe“, sind gerade hier harte Sanktionen für Unternehmen und Verbände vorgesehen: Ausschluss von Subventionen, Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge und als letztes Mittel die erzwungene Auflösung des Unternehmens bzw. Verbandes.

Ähnliche wie das bestehende Strafrecht sieht der Entwurf auch Möglichkeiten zum Absehen von Strafe (z.B. „Schadenswiedergutmachung“, „erhebliche Milderungsgründe“), die Möglichkeit der Bewährung unter Auflagen (z.B. „Verbesserung von Compliance-Strukturen“, „Zahlungen an gemeinnützige Vereinigungen“) und die Eintragung in das Bundeszentralregister vor.

Als Vorbild dient diesem Entwurf das am 1.1.2006 in Kraft getretene österreichische Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG).

2. Der Vorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen (BUJ)

Der Gesetzgebungsvorschlag des BUJ versteht sich explizit als Gegenvorschlag zum nordrhein-westfälischen Gesetzentwurf. Der Vorschlag will ausdrücklich kein eigenes Unternehmensstrafrecht bzw. Verbandsstrafrecht und fordert stattdessen die Anpassung des bestehenden Ordnungswidrigkeitenrechts. Besonderes Augenmerk legt der Vorschlag dabei auf Änderungen der §§ 30 und 130 OWiG.

Hauptaugenmerk des Vorschlags ist es, die Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens haftungsrechtlich zu würdigen und den Unternehmen einen Anreiz für eine präventive Einführung von Compliance-Maßnahmen sowie aktive und vorbehaltlose Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden zu bieten. Entscheidend für die Vermeidung der Haftung eines Unternehmens wären somit die von diesem geschaffene Compliance-Struktur und die Effizienz der zuständigen Abteilung.

Sanktionen wie die des nordrhein-westfälischen Entwurfs sieht dieser Vorschlag nicht vor. Entsprechend der Orientierung am Ordnungswidrigkeitenrecht sieht der Vorschlag lediglich Geldbußen vor. Darüber hinaus soll zusätzlich die Möglichkeit der Straffreiheit geschaffen werden, wenn Unternehmen Gesetzesverstöße selbst anzeigen. Ein Unternehmensstrafrecht soll nach dieser Ansicht überflüssig sein.

3. Der Vorschlag des Deutschen Instituts für Compliance e.V. (DICO)

Das DICO geht mit seinem Vorschlag einen dritten Weg. Es hat ein sogenanntes Compliance-Anreiz-Gesetzes (CompAG) entworfen und rückt damit die eigentliche Zielsetzung aller drei Vorschläge in den Mittelpunkt: die Schaffung von Anreizen für Unternehmen, geeignete und ordnungsgemäße Compliance-Strukturen zu bilden und Maßnahmen zu ergreifen.

Wie der zweite Vorschlag der Unternehmensjuristen möchte auch das DICO auf die Schaffung von einem eigenen Unternehmensstrafrecht bzw. Verbandsstrafrecht verzichten. Ohnehin ähnelt der Vorschlag des DICO dem des BUJ. So will auch das DICO durch das CompAG Veränderungen bzw. Konkretisierungen des Ordnungswidrigkeitenrechts einführen, um ein insgesamt dreistufiges Sanktionssystem zu implementieren. Die Unternehmen haften demnach wie bisher bei Fehlen ausreichender Compliance-Maßnahmen (1. Stufe). Der Gesetzgebungsvorschlag sieht hierzu eine Konkretisierung der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen in § OWIG § 130 Abs. OWIG vor (2. Stufe). Ebenso ist eine Milderung oder gar ein Verzicht von Sanktionen vorgesehen, wenn sich das betroffene Unternehmen ernsthaft und ausreichend um geeignete Compliance-Maßnahmen bemüht hat (3. Stufe).

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion und das Gesetzgebungsverfahren weiter entwickeln. Über Neuigkeiten zu diesem Thema werden wir Sie informieren.