Gewerbliches Mietrecht: Anpassung der Miete bei Corona-Lockdown?

Die Frage, ob bei einem staatlich angeordneten Corona-Lockdown (Schließung Gastronomie, Einzelhandel, Frisöre etc.) die Gewerbemiete gemindert oder angepasst werden darf, hat inzwischen umfangreich die Rechtsprechung beschäftigt. Die Urteile sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Strittig ist sowohl, ob eine Mietminderung über § 536 Abs. 1 BGB möglich ist, als auch, ob eine Anpassung der Miete über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) erfolgen kann.

Gegen eine Mietminderung / Mietanpassung u.a.:

  • LG Heidelberg Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20; LG Zweibrücken Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20; LG München II Urteil vom 22.09.2020, 13 O 1657/20; LG Frankfurt Urteil vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20; LG München II Urteil vom 06.10.2020, 13 O 2044/20; LG Wiesbaden Urteil vom 05.11.2020, 9 O 852/20; LG Stuttgart Urteil vom 19.11.2020, 11 O 215/20; LG Lüneburg Urteil vom 17.11.2020, 5 O 158/20. Die Entscheidungen beziehen sich stets auf konkrete Einzelfälle und teils auf den ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Insofern wurde ein Wegfall der Geschäftsgrundlage teils auch mit der Begründung verneint, dass die Störung nicht zu existentiell bedeutsamen Folgen geführt habe.

Für einen Anspruch auf Mietminderung / Mietanpassung u.a.:

  • LG München I Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20: Mietminderung gestaffelt nach Beeinträchtigung; 80 % bei vollständiger Schließung ohne Einnahmen, 50 % bei Teilöffnung und 15 % bei Öffnung mit Abstandsgebot. LG München I Urteil vom 05.10.2020, 34 O 6013/20: 50 % Reduzierung/Anpassung. LG Mönchengladbach Urteil vom 02.11.2020, 12 O 154/20: 50 % Reduzierung/Anpassung. LG Kempten Urteil vom 07.12.2020, 23 O 753/20: 50 % Minderung

Rechtsänderung, Art. 240 § 7 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch)

Der Gesetzgeber hat die Rechte der Gewerbemieter durch Einführung des Art. 240 § 7 EGBGB (31.12.2020) gestärkt. Demnach gilt:

§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Damit hat der Gesetzgeber für den Gewerbemieter die Möglichkeit verbessert, über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) eine Mietanpassung zu erreichen. Es handelt sich dabei um eine Vermutung, die widerlegbar ist. Insbesondere kommt eine Widerlegung in Betracht, wenn der Vertrag erst nach Beginn der Corona-Pandemie geschlossen wurde oder pandemiebedingte Beschränkungen geregelt wurden. Zudem bleibt der Mieter beweisbelastet. Er muss die Einschränkungen und die Unzumutbarkeit darlegen und beweisen. Zur Höhe der Mietanpassung hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen.

Da es sich bei Art. 240 § 7 EGBGB „nur“ um eine Klarstellung zu § 313 BGB handelt, soll die Regelung auch für Fälle vor dem 31.12.2020 gelten (so u.a. LG München I Urteil vom 25.01.2021, 31 O 7743/20).

Einzelfallbetrachtung notwendig

Es hängt von den konkreten Umständen ab, ob und in welcher Weise eine Vertragsanpassung verlangt werden kann. Eine Anpassung kann nur im angemessenen Umfang beansprucht werden. Ebenso kann nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringt. Eine Überkompensation wird nicht gewährt. Eine starke Beeinträchtigung wird durch erheblich zurückgegangene Umsätze indiziert. Öffentliche bzw. staatliche Zuschüsse sowie (etwa durch Kurzarbeit oder weggefallene Wareneinkäufe) ersparte Aufwendungen sind zu berücksichtigen (u.a. LG München I Urteil vom 25.01.2021, 31 O 7743/20); ebenso auch die Möglichkeit, Einnahmen durch „click/phone and collect“ zu realisieren.

Empfehlung

Die Rechtslage ist – auch mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung – nach wie vor nicht eindeutig und klar. Es ist daher zu empfehlen, anwaltlichen Rat einzuholen, falls keine einvernehmliche Regelung mit dem Vermieter bzw. Mieter getroffen werden kann.

Beim Abschluss von Neuverträgen sollte eine Regelung für den Fall von pandemiebedingten Schließungen/Maßnahmen getroffen werden.

Autor: Ralph Weiss – Rechtsanwalt / Fachanwalt für Bau- u. Architektenrecht