UPDATE: Gewerbemiete und Corona – aktueller Zwischenstand zu pandemiebedingten Mietkürzungen

Wie bereits in unserem vorangegangenen Blogartikel berichtet, hat der Gesetzgeber kurz vor Jahresende 2020 in das gewerbliche Mietrecht eingegriffen und in Art. 240 § 7 EGBGB eine gesetzliche Vermutung geschaffen, wonach sich im Fall der eingeschränkten oder ausgeschlossenen Nutzbarkeit angemieteter Gewerbeflächen infolge staatlicher Pandemiebekämpfung ein Umstand im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB vermuten lässt, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, sich nach Vertragsabschluss aber schwerwiegend verändert hat.

Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn

  • sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben („tatsächliches Element“) und
  • die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten („hypothetisches Element“),
  • soweit einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann („normatives Element“).

Die Unzumutbarkeit ist aus dem Vergleich von Schuldneraufwand und Leistungserfolg zu bestimmen. Dabei sind nach einer uralten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht nur die Interessen des Schuldners, sondern auch die des Gläubigers mit dem Ziel, die beiderseitigen – widerstreitenden – Interessen auszugleichen, zu berücksichtigen. Dem Schuldner sind Aufwendungen, welche die dem Schuldverhältnis immanente Opfergrenze überschreiten, nicht mehr zumutbar. Diese Opfergrenze wird zweifellos überschritten, wenn die Inanspruchnahme des Schuldners zur Vernichtung seiner Existenz führen würde. Laut BGH genügt aber unter Umständen auch bereits eine schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.1959 – V ZR 3/58).

Entscheidungen der Oberlandesgerichte
Zwischenzeitlich liegen drei erste, leider nicht einheitliche obergerichtliche Entscheidungen unter Berücksichtigung des neuen Art. 240 § 7 EGBGB sowie § 313 Abs. 1 BGB vor:

  1. Nach dem OLG München (Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20) soll es für die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB einerseits nicht darauf ankommen, ob das Festhalten am Vertrag den Mieter in eine wirtschaftlich existenzbedrohliche Lage bringt. Andererseits stuft das OLG München die pandemiebedingten Schließungen des Einzelhandels während der ersten Corona Welle im Jahr 2020 von etwas mehr als einem Monat dennoch bei der Prüfung des normativen Elements / Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen einer Interessenabwägung als nicht schlechthin untragbaren Umstand für den Mieter ein, weil der Mieter ja die Möglichkeit gehabt habe, Rücklagen zu bilden und daraus die Miete zu bezahlen.
  1. Das OLG Dresden (Urteil vom 24.2.2021 – 5 U 1782/20) bejaht dagegen erstmals eine schematische Vertragsanpassung über § 313 BGB nach einem hälftigen Risikoteilungsprinzip. Der Dresdner Senat lässt aber ausdrücklich offen, ob und gegebenenfalls inwieweit staatliche Zahlungen an Vermieter oder Mieter aus Anlass der Corona-Pandemie zu einer (weiteren) Anpassung der Kaltmiete gem. § 313 Abs. 1 BGB führen können sowie ob und gegebenenfalls inwieweit Zahlungen auf Betriebskosten anzupassen sind.
  1. Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.2.2021 – 7 U 109/20) verneint schließlich mangels ausreichenden Vortrags des Mieters zu konkreten Umsatz- und Gewinnauswirkungen der pandemiebedingten Schließung sowie etwaigen Kompensationen durch Staatshilfen oder Online-Handel eine (pauschale) Mietreduzierungsberechtigung des Mieters.

Fazit
Die Rechtslage ist nach wie vor nicht eindeutig und klar. In allen drei Fällen ist jedoch die Revision zugelassen, sodass ein richtungsweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs zeitnah erwartet werden darf.  Im Sinne eines gedeihlichen Mietverhältnisses auch nach Corona raten wir sowohl den Vermietern als auch den Mietern nach wie vor, einvernehmliche Regelung untereinander zu treffen und unterstützen Sie dabei gerne mit unserem anwaltlichen Rat.

Solange sich der BGH nicht der pauschalierenden Lösung des OLG Dresden anschließen sollte, ist auf Mieterseite eine Offenlegung/Darlegung der konkreten Umsatz- und Gewinnauswirkungen unter Berücksichtigung möglicher Kompensationen durch Online-Handel, öffentliche Leistungen, ersparten Aufwendungen (etwa durch Kurzarbeit) oder verbliebene Vermögenswerte in Form absatzfähiger Ware zumindest im Prozess dringend zu empfehlen. Bei neu abzuschließenden Gewerbemietverträgen sollte künftig zur Konfliktvermeidung stets eine Regelung für den Fall von pandemiebedingten Schließungen/Maßnahmen getroffen werden.

Autor: Burkhard Krecichwost