DIGITALES BUSINESS: NEUE REGELN IM BGB

Wie schon im letzten Beitrag zur „Digitalen-Inhalte-Richtlinie“ angesprochen, bringt die Einbettung einiger Richtlinien ab 01.01.2022 viele Neuerungen mit sich. Die Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (RL (EU) 2019/770) wurde durch das Gesetz vom 25.06.2021 umgesetzt und beschert uns neue Vorschriften in § 327 bis § 327u BGB-NEU, die für die Anbieter von digitalen Inhalten und Dienstleistungen an Verbraucher fortan wichtige Pflichten vorgeben. 

Betroffene Produkte und Leistungen

Betroffen von den Änderungen sind digitale Produkte, die Verbrauchern in der Regel gegen Bezahlung angeboten werden. Neu ist schon der Umstand, dass es anstelle einer Zahlpflicht genügt, dass der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet; das gilt dann nicht, wenn der Unternehmer die Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und sie zu keinem anderen Zweck verarbeitet („Bezahlen mit Daten“).

Digitale Inhalte werden in § 327 Abs. 1 BGB-NEU legaldefiniert als Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Darunter fallen beispielhaft Computerprogramme, Videodateien, Audiodateien, elektronische Bücher und Publikationen, Applikationen und ähnliche Anwendungssoftware.

Digitale Dienstleistungen sind Dienste, welche die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form sowie den Zugriff darauf ermöglichen. Hiervon erfasst sein sollen beispielsweise Software-as-a-Service, Spiele in Cloud-Computing-Umgebung, Datei-Hosting, Textverarbeitung, cloudbasierte Textverarbeitung, Verkaufs-, Buchungs-, Vermittlungs- und Bewertungsplattformen sowie soziale Medien, sodass auch Social Networking wie Facebook, Instagram oder TikTok erfasst werden.

Wichtig zu wissen ist auch, dass sich der Anwendungsbereich ebenfalls auf Verbraucherverträge über körperliche Datenträger erstreckt, welche ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen. Darunter werden dann vor allem bespielte DVDs, CDs, USB-Sticks und Speicherkarten fallen. Bei sog. Paketverträgen, bei denen neben der Bereitstellung digitaler Produkte noch die Bereitstellung anderer Sachen oder Dienstleistungen hinzukommen, kommt die Anwendung der Regeln in Bezug auf den Bestandteil, der die digitalen Produkte betrifft.

Andere und ebenfalls neue Paragrafen gelten, wenn das digitale Element dergestalt mit einem gekauften Gegenstand verknüpft ist, dass letzterer seine Funktion ohne das digitale Element nicht erfüllen kann. Zu denken ist hier an Produkte wie E-Bikes, Steuergeräte im Elektrofahrzeug oder Smart-Home-Lösungen. Es gelten dann die Vorgaben des Warenkaufs gemäß § 475b ff BGB-NEU und nicht §§ 327 ff. BGB-NEU, obwohl diese im Detail weitestgehend ähnlich sind – die gleichwohl vorzunehmende Abgrenzung wird im Einzelfall eher schwierig sein. 

Neues Gewährleistungsrecht

Was allgemein ab 2022 beim Warenkauf gilt (siehe hierzu unseren Beitrag Neue Gewährleistungsregeln für Händler – Umsetzung der Warenkaufrichtlinie), findet auch bei Verträgen über Digitale Produkte Einzug: eine neue Betrachtung des Mangelbegriffs ist nötig, da die objektive Mangelfreiheit höheres Gewicht bekommt. Nach § 327k BGB-NEU gilt auch im Rahmen des Kaufes digitaler Produkte die Beweislastumkehr für die Dauer von einem Jahr zu Lasten des Unternehmers. Für gewöhnlich muss der Käufer nach dem Gefahrübergang beweisen, dass ein etwaiger Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Diese Beweislast wird binnen eines Jahres nach Übergabe zu Lasten des Verkäufers umgekehrt, sodass dieser die Mangelfreiheit zu beweisen hat.

Interessant ist die Einführung des neuen Beseitigungsrechts Vertragsbeendigung, das ein einheitliches Recht für Fälle unterbliebener oder mangelhafter Bereitstellungen darstellt und die speziellen Reglungen zum Sachmangel bei Waren mit digitalen Elementen.

Gewöhnungsbedürftig ist die Aktualisierungspflicht. Für das digitale Produkt schuldet der Unternehmer während des maßgeblichen Bereitstellungszeitraumes Aktualisierungen. Zudem hat er den Verbraucher über diese Aktualisierungen zu informieren, § 327f BGB-NEU. Dieses Aktualisierungserfordernis stellt eine Ausnahme vom Grundsatz „der Mangel muss bei Gefahrübergang vorliegen“ dar. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, entsteht damit auch nach Lieferung, Download etc. ein Mangel. Der Bereitstellungszeitraum ist dabei der zeitliche Umfang, innerhalb dessen den Unternehmer die Aktualisierungspflicht trifft.

Der Unternehmer schuldet im Rahmen der Bereitstellung funktionserhaltende sowie Sicherheitsupdates. Die Dauer der Aktualisierungspflicht ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen und an den Erwartungshorizont des Durchschnittskäufers geknüpft. Maßgeblich können in diesem Zusammenhang auch getätigte Werbeaussagen, verwendete Materialien und der Preis des digitalen Produkts sein. Auch hier werden die Gerichte Leitlinien erarbeiten müssen, was die Dauer der Aktualisierungspflicht betrifft.

Die Vertragsparteien sind dem Grunde nach frei darin, Art, Dauer und Umfang der Aktualisierungspflicht zu vereinbaren. Wollen die Parteien jedoch die objektiven Anforderungen an Aktualisierungen unterschreiten, dann muss dies ausdrücklich und gesondert im Vertrag vereinbart werden. Auch genügen pauschale Aussagen nicht, die Information der Abweichung muss sich auf ein „bestimmtes Merkmal“ der digitalen Produkte beziehen, § 327h BGB-NEU.

Ist das digitale Produkt in einer Sache enthalten oder mit dieser verbunden, hat die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer der Sache einen maßgeblichen Einfluss auf die Dauer des Zeitraums, für den der Verbraucher berechtigterweise Aktualisierungen erwarten kann. So darf der Verbraucher zum Beispiel bei komplexen Steuerungsanlagen für Smart-Home-Anwendungen erwarten, dass Aktualisierungen für vertraglich vereinbarte Zusatzfunktionen (zum Beispiel die Steuerung einer Heizung über eine mobile Anwendung) während der objektiv üblichen Nutzungsdauer der Heizungsanlage bereitgestellt werden. Dasselbe dürfte bei in einem Kraftfahrzeug integrierten Geräten wie Navigationssystemen oder Unterhaltungselektronik gelten.

Auch die Bestimmung der üblichen Lebensdauer und wohl auch die Bestimmung dessen, was der Verbraucher aufgrund Art und Zwecks des digitalen Produktes erwarten kann, wird in den kommenden Jahren erst noch näher konkretisiert werden müssen.

Verletzt der Unternehmer seine Aktualisierungspflicht, so ist gegen ihn ein Regressanspruch in Form des Aufwendungsersatzes möglich, der bis zum Hersteller durchgreift, § 327u Abs. 1, § 445a Abs. 1, § 578b Abs. 4 BGB-NEU. Zur Klarstellung wird der Vertragspartner des Unternehmers im Gesetz als Vertriebspartner bezeichnet (welcher seinerseits Unternehmer ist). Um den Unternehmer zu schützen, verjährt der Regressanspruch innerhalb von sechs Monaten und ist zwingend. Eine Berufung des Vertriebspartners auf eine abweichende Vereinbarung ist damit nicht möglich. 

Handlungsbedarf

Zunächst sollten Unternehmen und Unternehmer ihre AGB auf Konformität mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen überprüfen lassen und die Aktualisierungsverpflichtung für digitale Produkte so weit als möglich abbedingen und einschränken, um Haftungsrisiken deutlich zu reduzieren. Bedacht werden sollte in diesem Zusammenhang ein jährlich erhöhter Erfüllungsaufwand wegen Update- bzw. Aktualisierungsverpflichtungen für digitale Produkte, die am Ende der Lieferkette beim Verbraucher landen. Zudem sollten Unternehmen Rücklagen für mögliche Schadensersatz- und Regressansprüche bilden.

MKM + PARTNER Rechtsanwälte unterstützt Sie sowohl bei der Vertragsgestaltung und AGB-Prüfung, also auch bei der Prüfung Ihrer Rechte und Pflichten in Bezug auf die neuen gesetzlichen Regelungen basierend auf der Warenkaufrichtlinie, sowie der Richtlinie über die Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen.

Autorin: Caroline Schüler-Holst