NEUE GEWÄHRLEISTUNGSREGELN FÜR HÄNDLER – UMSETZUNG DER WARENKAUFRICHTLINIE

Das Jahr 2022 bringt dem altehrwürdigen BGB massive Änderungen. Diese waren zwar aufgrund der Pflicht zur Umsetzung verschiedener Richtlinien, so u.a. der Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771 vom 20.05.2019) schon länger absehbar. Gleichwohl ist anzunehmen, dass die erheblichen Änderungen, die teilweise auch den B2B-Bereich betreffen, vielen Händlern noch nicht bekannt sind. An dieser Stelle soll ein Teil der Änderungen im Gewährleistungsrecht kurz vorgestellt werden; die neuen Regeln zum Verbrauchsgüterkauf über Sachen mit digitalen Elementen werden ausgeklammert und in einem späteren Beitrag dargestellt. 

Wann ist eine Sache mangelhaft?

Bislang durfte man nach dem althergebrachten Verständnis des § 434 BGB davon ausgehen, dass vorhandene vertragliche Regelungen über die Beschaffenheit oder die Verwendungseignung im Zweifel entscheidend sind. Wenn die Produktbeschreibung im Händlerangebot eine negative, von der Üblichkeit abweichende, Beschaffenheit aufwies, dann war aufgrund der subjektiven Betrachtung regelmäßig nicht von einem Mangel auszugehen. 

Die Neuregelung des § 434 BGB besagt indes, dass die Sache nur dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen und den objektiven Anforderungen entspricht. Dem Wortlaut nach droht z.B. den Verkäufern von B-Ware die Gewährleistung für fehlende Eigenschaften, die laut Angebot/Vertrag gar nicht geschuldet waren, aber eine Beschaffenheit darstellen, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Komplexer wird es dadurch, dass nach § 434 Abs. 3 BGB-NEU auch Themen wie Werbeaussagen des Herstellers, erwartbare Montageanleitungen und Stichwörter wie Haltbarkeit, Funktionalität und Kompatibilität eine Rolle spielen. Wer also Produkte anbietet, die im Verhältnis zur überwiegenden Konkurrenz viel weniger kompatibel zu anderen Waren sind, erfüllt demnach die objektiven Anforderungen an die Kaufsache nicht. 

Selbstverständlich können die Parteien dem subjektiven vertraglichen Inhalt den Vorrang einräumen – § 434 Abs. 3 BGB-NEU sieht dies durch wirksame Vereinbarungen vor. Für den Verbrauchsgüterkauf besagt § 476 BGB-NEU allerdings, dass der Verbraucher davon, dass die Kaufsache von dem objektiv Erwartbaren abweicht, nicht nur in Kenntnis gesetzt, sondern die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden muss. Es genügt also nicht, die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung anzuführen. Es ist auch nicht ausreichend, diese neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder in separaten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen. Im Onlineshop wird es wohl eine Checkbox geben müssen, bei der der Verbraucher gesondert anklickt, dass er der Abweichung ausdrücklich zustimmt. Immerhin meint der Gesetzgeber, dass der Verkäufer keine Haltbarkeitsgarantie schuldet: Bei Billigware gibt es daher auch weiterhin eine geringere Lebensdauer, die vom Käufer hingenommen werden muss, da der Verkäufer nur für die Fähigkeit einstehen muss, dass die Ware bei Lieferung auch dann noch funktioniert, wenn sie normal verwendet wird. Nicht empfehlenswert erscheint es jedenfalls im Augenblick, sich darauf zu verlassen, dass man sich beschwerenden Verbrauchern dann, wenn sie sehenden Auges und günstig Ware mit leichten Mängeln kaufen, treuwidriges Verhalten als Einwendung entgegenhalten kann – die Rechtsprechung wird das Verhältnis von objektiven und subjektiven Fehlern mit Leben füllen müssen. 

Wer muss beweisen, dass ein Mangel bei Lieferung vorlag?

Für viele Händler ist bei Beantwortung der Frage, wie schnell sie dem Kunden nach Mitteilung eines Mangels zumindest aus Kulanz nachgeben, entscheidend, wie lange im Falle eines Prozesses vermutet wird, dass ein aufgefundener Mangel auch schon bei Lieferung der Ware vorlag – denn nur dann stehen dem Käufer die Mängelrechte zu. Bisher galt bekanntlich sinngemäß, dass bei Mängeln, die bis zu sechs Monate nach Übergabe auftreten, diese Anfänglichkeit vermutet wird. Die Beweislastumkehr wird nun auf ein ganzes Jahr gestreckt. Auch wenn man konstatieren darf, dass der Gesetzgeber immerhin bislang davon Abstand genommen hat, diese Frist auf zwei Jahre hochzusetzen, so ist doch den Verkäufern in Zukunft zu raten, bei gemeldeten Mängeln innerhalb eines Jahres im Zweifel der Forderung des Verbrauchers nachzugeben. 

Wie lange können Käufer Mängelansprüche geltend machen?

Bisher galt, dass Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels in der Regel in zwei Jahren ab Lieferung verjähren. Mängel, die kurz vor Ablauf dieser Frist auftraten, zwangen den Verbraucher dazu, sich sehr schnell um eine verjährungshemmende Maßnahme zu bemühen – Händler spielten mit unwissenden Verbrauchern gerne auf Zeit. Nun gilt im Bereich B2C: Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat (§ 475e Abs. 3 BGB-NEU). Das gilt sinngemäß auch, wenn die Kaufsache dem Händler oder einem von diesem beauftragten Dritten wegen Gewährleistung/Garantie übergeben wird: vor dem Ablauf der weiteren zwei Monate, beginnend ab dem Erhalt der reparierten Sache oder der Ersatzware, tritt keine Verjährung ein. 

Was ist zu tun?

Händler, die nicht ausschließlich Kaufsachen anbieten, die stets den durchschnittlichen Erwartungen auf dem Markt genügen, sollten nicht nur sämtliche Vertragswerke einschließlich AGB auf den Prüfstand stellen (Stichwort: Abmahngefahr!), sondern auch den gewohnten Ablauf im Geschäftsbetrieb überdenken. Letzteres gilt besonders für Internethändler, deren Onlineshops wegen der Notwendigkeit einer gesonderten Vereinbarung angepasst werden sollten. Nicht unwichtig sollte es sein, dass Mitarbeiter mit Kundenkontakt über die Neuregelungen informiert werden, damit bei Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gesetzeskonform und wirtschaftlich sinnvoll reagiert werden kann. Wir von MKM + PARTNER stehen Ihnen bei der Umsetzung dieser und anderer Vorgaben stets kompetent zur Seite.


Autor: Andree Hönninger