Alles (noch einmal) neu macht der Mai – UWG-Reform 2.0 zum 28.05.2022

In unserem Beitrag „Abmahnwellenbrecher“ hatten wir bereits über erhebliche Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zum 02.12.2021 durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ berichtet. Am 11.06.2021 wurden weitere Änderungen durch das „Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ beschlossen; es wird also zum 28.05.2022 weiter fleißig gestärkt. Die Änderungen sind einerseits der Umsetzungen der sog. Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161, Stichwort „New Deal for Consumers“) geschuldet, andererseits hat man in Bezug auf Irreführung, Influencer Marketing und Online-Handel neue Strukturen und Inhalte geschaffen. Oben drauf gibt es nun einen Schadenersatzanspruch für Verbraucher und Neuigkeiten in der Blacklist sowie bei den Bußgeldern. Nachgehend wollen wir einen Abriss über die wesentlichen Änderungen bieten – das Thema Influencer-Werbung bleibt einem separaten Beitrag vorbehalten.

Online-Handel – neue Informationspflichten

Wer zukünftig die konkretisierenden Regelungen zur Irreführung in Bezug auf Informationspflichten sucht, wird nicht mehr in § 5a Abs. 3 und 4 UWG a.F., sondern im gesonderten § 5b UWG fündig. Dank Umsetzung der besagten Omnibus-Richtlinie wurde dieser Komplex nun um die Tatbestände des § 5b Abs. 2 und 3 UWG ergänzt.

Insbesondere Online-Händler sehen sich bei Nichteinhaltung der dort aufgeführten Informationspflichten dem Vorwurf des wettbewerbswidrigen Verhaltens ausgesetzt. § 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG stellt zunächst klar, dass die Tatsache des gewerblichen Anbietens auf einem Online-Marktplatz (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG n.F.) als wesentlich anzusehen ist – das Vortäuschen eines Privatverkaufs ist mithin schon deshalb nicht zu empfehlen. Vergleichsportale und andere Online-Anbieter mit Suchfunktion stehen bei § 5b Abs. 2 UWG n.F. im Fokus: Ab dem 28.05.2022 müssen die Hauptparamater zur Festlegung des Rankings der präsentierten Waren und Dienstleistungen und deren relative Gewichtung angegeben werden. Gerade die Vergleichsportale müssen demnach generell und bis zur Grenze des Geschäftsgeheimnisses den verwendeten Algorithmus aufzeigen. Dazu passt der neue Blacklist-Eintrag in Nr. 11a im Anhang zu § 3 UWG in Bezug auf die verdeckte Werbung in Suchergebnissen.

Nicht ohne ist auch die neue Informationspflicht in § 5b Abs. 3 UWG n.F. in Bezug auf Kundenbewertungen. Es ist nun eine wesentliche Informationspflicht des anbietenden Unternehmers, ob und wie sichergestellt ist, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die diese Waren tatsächlich erworben oder genutzt haben. Das bedeutet, dass der Händler bzw. Dienstleister entweder zugeben muss, dass er gar keine Kontrollen durchführt, oder bei regelmäßig durchgeführten Kontrollen angeben muss, wie er bei dieser Überprüfung vorgeht. Eine passende Ergänzung hierzu sind die neuen Nr. 23b und 23c in der Blacklist.

Verbot der Dual Quality

Hersteller von bestimmten Waren (z.B. Unterhaltungselektronik, Lebensmittel), die bislang in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zumindest dem Etikett nach das gleiche Produkt vertrieben, dabei aber die Qualität der Ware je nach Mitgliedsland variiert haben, müssen ab dem 28.05.2022 kreativer werden, wenn diese Art der Vermarktung fortgeführt werden soll. Ab diesem Zeitpunkt gilt nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. das Verbot der „Dual Quality“.

Wörtlich heißt es im Gesetz: „Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.“

Die Norm ist derart unbestimmt, dass sie in Zukunft als beliebte Spielwiese der juristischen Auslegung dienen wird. Es beginnt mit dem Problem, wann denn nun eine identische Vermarktung wirklich vorliegt, und endet nicht mit der Frage, welche objektiven und legitimen Faktoren die Qualitätsabweichungen rechtfertigen. Die Erwägungen der Omnibus-Richtlinie geben insoweit immerhin vor, dass z.B. gesetzliche Vorgaben oder die Verfügbarkeit von Rohstoffen entscheidend sein können – der Krieg in der Ukraine zeigt überdeutlich, wie schnell Hersteller insoweit in die Bredouille geraten können. Ob es genügt, wenn der Hersteller sich darauf beruft, dass die Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten das Produkt traditionell in anderer Qualität wünschen, bleibt trotz der Befürwortung durch den deutschen Gesetzgeber eher fraglich.

Das kann teuer werden – Geldbußen und Schadensersatz für Verbraucher!

Wer als Unternehmer bisher nur Abmahnungen von Konkurrenten als teures Szenario bei Verstößen gegen Lauterkeitsrecht fürchtete, sollte sich § 19 Abs. 1 UWG n.F. näher ansehen: Es ist danach ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig durch einen „weitverbreiteten Verstoß“ im Sinne des § 5c Abs. 1 UWG n.F. Verbraucherinteressen verletzt. Gemäß § 19 Abs. 2 UWG n.F. kann dann eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000,00 € oder gegebenenfalls bis zu 4% des Jahresumsatzes fällig werden – Summen wie bei Datenschutzverstößen sind also möglich. Es geht dabei allerdings nicht um die „alltäglichen“ Wettbewerbsverstöße, sondern um diejenigen, die erhebliche Auswirkungen auf Verbraucher und Verbraucherinteressen in mehreren EU-Mitgliedstaaten haben und deshalb eine „unionsweit koordinierte Durchsetzungsmaßnahme“ im Sinne der Verordnung (EU) 2017/2394 erfordern.

Wahrscheinlicher ist da schon, dass Unternehmer Bekanntschaft mit dem neuen Schadensersatz für Verbraucher nach § 9 Abs. 2 UWG n.F. machen. Der Anspruch steht Verbrauchern bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 3 UWG und den darauf basierenden Vorschriften zu. Ausdrücklich ausgenommen sind nach Satz 2 Rechtsbruch-Verstöße nach § 3a UWG, Verletzungen des Mitbewerberschutzes (§ 4 UWG) sowie die unzulässige vergleichende Werbung (§ 6 UWG). Auch die verbotene Aufforderung zur Zahlung bei unerbetenen Besuchen in der Wohnung eines Verbrauchers am Tag des Vertragsschlusses (neue Nr. 32 der Black List) bleibt ohne Möglichkeit des Schadenersatzes. Die Problematik in der gerichtlichen Geltendmachung wird nicht im Verschulden des Unternehmers, sondern vielmehr bei dem Nachweis des Eintritts und der Höhe eines Schadens liegen – hierzu trägt der Verbraucher die Beweislast.

Fazit

Nicht nur den Markteilnehmern fällt es schwer, bei den kurz aufeinanderfolgenden und zugleich wesentlichen Änderungen im UWG noch den Überblick zu behalten. Gleichwohl zeigen gerade die Neuerungen im Bereich Bußgeld und Schadensersatz auf, dass es hier am Ende nicht nur um das Modewort Compliance geht, sondern auch erhebliche finanzielle Risiken eine Rolle spielen können. Wir von MKM + Partner helfen Ihnen dabei, stets den Überblick zu behalten und die neuen Vorgaben wirtschaftlich sinnvoll umzusetzen.


Autor: Andree Hönninger (Rechtsanwalt / Fachanwalt für IT-Recht)