Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Eine Erleichterung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Seit dem 01.01.2023 sind – nach einigen Verzögerungen – neue gesetzliche Regelungen zu den Nachweispflichten der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit in Kraft getreten. Nunmehr werden nicht mehr alle Arbeitnehmer dazu verpflichtet, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) für den Arbeitgeber vom behandelnden Arzt ausstellen zu lassen und dem Arbeitgeber vorzulegen. Sinn und Zweck der neuen gesetzlichen Regelungen ist es, eine Erleichterung sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber zu erreichen. Jedoch ist die Gesetzesneuerung mit wesentlichen Unsicherheiten auf allen Seiten verbunden.

Bisherige Rechtslage

Bis einschließlich Dezember 2022 hatten Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) die gesetzliche Pflicht, sich eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer ausstellen zu lassen sowie spätestens am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit die Bescheinigung dem Arbeitgeber vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauerte. Der Arbeitgeber war dazu berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch schon früher zu verlangen.

Neue Gesetzeslage

Nunmehr sind Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind gemäß § 5 Abs. 1a EFZG nicht mehr dazu verpflichtet, sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung in Papierform für den Arbeitgeber vom Arzt ausstellen zu lassen. Der behandelnde Arzt übermittelt die Daten nunmehr direkt auf elektronischem Weg an die jeweilige Krankenkasse. Der Arbeitgeber muss die Daten dann bei der Krankenkasse abrufen.

Dem gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer obliegt aber dennoch die Pflicht, zu den in § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 EGFZG genannten Zeitpunkten (wie unter anderem einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als 3 Tage andauert) sich seine Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer ärztlich feststellen zu lassen und sich vom Arzt eine AU-Bescheinigung in Papierform (Exemplar für den Versicherten) aushändigen zu lassen. Auf der AU-Bescheinigung (Exemplar für den Versicherten) sind Daten, wie u.a. der behandelnde Arzt und der ICD-Diagnoseschlüssel genannt. Der Arbeitgeber soll über diese Angaben allerdings keine Kenntnisse erlangen, sodass die Vorlage einer solchen AU-Bescheinigung (Exemplar für den Versicherten) nicht vom gesetzlich versicherten Arbeitnehmer verlangt werden sollte.

Ausnahmeregelungen

Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind oder von einem Arzt behandelt werden, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt sowie Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben (§ 8a SGB IV) müssen weiterhin ihrem Arbeitgeber eine AU-Bescheinigung in Papierform (Ausfertigung für den Arbeitgeber) vorlegen. Weitere Ausnahmeregelungen ergeben sich gemäß § 5 Abs. 2 EFZG für Arbeitnehmer, die sich zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland aufhalten.

Pflicht zur unvertüglichen Anzeige

Die Arbeitnehmer sind dennoch weiterhin gesetzlich dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch bei einer Fortsetzungserkrankung über den angegebenen Zeitraum hinaus.

Auswirkungen auf arbeitsvertragliche Klauseln

Enthalten Ihre Arbeitsverträge, die vor dem Jahr 2023 geschlossen wurden, Klauseln, die dem Arbeitnehmer die Pflicht zur Vorlage einer AU-Bescheinigung in Papierform (Exemplar für den Arbeitgeber) auferlegen, so entfalten diese Regelungen diesbezüglich keine Wirkung mehr. Die o.g. gesetzlichen Ausnahmefälle sind hiervon ausgenommen.

Sollte Ihrerseits Beratungsbedarf bestehen, ob es dennoch zulässig ist, allen Arbeitnehmern weiterhin die Pflicht aufzuerlegen, eine AU-Bescheinigung (Exemplar für den Arbeitgeber) in Papierform vorzulegen bzw. wünschen Sie eine Anpassung Ihrer Arbeitsverträge auf die aktuelle Rechtslage, dann nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.

Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Aspekte, die bei der Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung zu beachten sind, möchten wir nochmals auf den bereits im Oktober 2022 von Cansu Muti erschienen Artikel „Die elektronische Arbeitsunfähgkeitsbescheinigung (eAU) – was ist datenschutzrechtlich zu beachten“ hinweisen.

Fazit

Die gesetzlichen Änderungen zu den Nachweispflichten der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit sind bei vielen derzeit noch mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Sofern allerdings die Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber konkret über die gesetzlichen Neuerungen sowie die weiterhin für sie bestehenden Pflichten informiert werden und sich auch die gesetzlichen Krankenkassen auf die technische Umsetzung der Neuerung vollständig eingestellt haben, wird die elektronische AU-Bescheinigung zu einer wesentlichen Erleichterung zumindest für Arbeitnehmer führen.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Arbeitsrechtsexperten Frau Rechtsanwältin Vivien Demuth und Frau Rechtsanwältin Jane Hohmann, Fachanwältin für Arbeitsrecht.