Abmahnwelle Google Fonts – Kein Anspruch auf Schadensersatz

Das Landgericht München I befand in seinem Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, dass die automatische Übermittlung von IP-Adressen bei der Nutzung des Dienstes Google Fonts ohne vorherige Einwilligung rechtswidrig ist, und sprach dem Kläger unter anderem Schadensersatz in Höhe von 100,00 € zu.

Anschließend brach in Deutschland eine regelrechte Abmahnwelle los. Die betroffenen Unternehmen wurden mittels anwaltlicher Abmahnung aufgefordert eine Unterlassungserklärung abzugeben und einen Betrag von 170,00 € als Schadensersatz zu zahlen.

Wir haben unseren Mandanten und Kunden geraten, die Abmahnungen zu ignorieren, da wir diese für unbegründet hielten. Unsere Auffassung wurde nun durch das Landgericht München I durch Urteil vom 30.03.2023, Az. 4 O 13063/22, bestätigt. Ob dieses Urteil rechtskräftig ist, ist jedoch nicht bekannt.

Kein Anspruch auf Unterlassung

Das LG München I stellt im Wege der negativen Feststellungsklage zunächst fest, dass seitens der Abmahner kein Anspruch auf Unterlassung besteht, da die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Unterlassungsanspruch im konkreten Fall nicht vorlagen. Dabei urteilte das Gericht – aufgrund der ursprünglichen Entscheidung vom 20.01.2022 wenig überraschend – fest, dass die dynamische Einbindung von Google Fonts gegen das Datenschutzrecht verstößt, wenn die Webseitenbesucher nicht vorab in die Übermittlung der IP-Adresse an Google einwilligen.

Jedoch erkennt das LG München I, dass es an der erforderlichen konkreten Betroffenheit des Abmahnenden fehlte. Das Gericht merkte an, dass der Abmahnende die Webseiten der abgemahnten Unternehmen nicht selbst besuchte, sondern vielmehr einen Web-Crawler einsetzte, um solche Webseiten aufzufinden, die Google Fonts dynamisch eingebunden hatten. Das Gericht führt hierzu prägnant aus:

„Wer Websites gar nicht persönlich aufsucht, kann persönlich auch keine Verärgerung oder Verunsicherung über die Übertragung seiner IP-Adresse an die Fa. Google in den USA verspüren.“

Selbst wenn der Abmahner jedoch tatsächlich alle Webseiten der Abgemahnten Unternehmen selbst besucht hätte, so wären die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruch nach der Ansicht des LG München I dennoch nicht gegeben. Hier begründet das Gericht, dass jemand, der gezielt eine Situation aufsuche, bei der eine Persönlichkeitsverletzung droht, um direkt im Anschluss daraus eigene Ansprüche zu begründen, gerade nicht schutzbedürftig ist.

Zudem erkannte das Gericht fest, dass die Abmahnungen allein der Gewinnerzielungsabsicht dienten und es dem Abmahner gerade nicht um das Aufzeigen und das Verfolgen eines datenschutzrechtlichen Missstands ging. Auch hier wird das Gericht in seiner Formulierung deutlich:

„Das Gericht erachtet es für kaum denkbar, dass eine Privatperson nur aus Verärgerung über einen aus ihrer Sicht gegebenen und weit verbreiteten Datenschutzverstoß von Website-Betreibern den mit der Versendung von mindestens 100.00 Abmahnschreiben verbundenen Aufwand auf sich nehmen wird, nur um auf den von ihm gesehenen Missstand beim Datenschutz aufmerksam zu machen.“

Da die Abmahnung jedenfalls rechtsmissbräuchlich erfolgte, konnte sich das Gericht weitere Ausführungen zum Unterlassungsanspruch sparen.

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 170,00 € besteht nach Ansicht des Gerichts aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht. In der Rechtsprechung ist derzeit umstritten, ob Angstgefühle bzw. Verunsicherungen für sich genommen ausreichen, um einen entsprechenden Anspruch nach Art. 82 DSGVO zu begründen. Im konkreten Fall kommt es nach Ansicht des LG München I auf die Klärung dieser Rechtsfrage gar nicht an, da der Abmahner durch den Einsatz eines Webcrawlers nicht in seinen Gefühlen verletzt werden konnte. Das Gericht führt hierzu aus:

„Wer gar nicht weiß, welche Websites „in seinem Namen“ besucht werden, kann sich überhaupt nicht individuell Gedanken dazu machen, dass ihm aus der Übertragung seiner IP-Adresse Unannehmlichkeiten entstehen könnten.“

Im Übrigen wäre auch ein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund wegen des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.

Fazit

Das LG München I hat die Abmahnwelle mit seinem Urteil vom 20.01.2022 mutmaßlich losgetreten und mit Urteil vom 30.03.2023 nicht nur die Google Fonts Abmahnwelle endgültig beendet, sondern die Hürden für Massen-Abmahnungen im Datenschutzrecht sehr hoch gesetzt.Auch wenn der dynamische Einsatz von Google Fonts ohne Einwilligung rechtswidrig ist, können Abmahnende hierdurch nicht „an das schnelle Geld“ gelangen, indem massenhaft (nach Angaben des Prozessvertreters der „IG Datenschutz“ übrigens eine „niedrige sechsstellige Zahl“) versendet werden.

Autor: Fabian Dechent (Rechtsanwalt)