Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf das Vergaberecht

Seit dem 01.01.2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz bzw. LkSG) in Kraft. Von dem Gesetz sind derzeit Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern betroffen (ab dem 01. Januar 2024 Unternehmen mit mind. 1.000 Arbeitnehmern). Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten.

Auswirkungen auf die öffentliche Auftragsvergabe

Wenn ein Unternehmen gegen das Lieferkettengesetz verstößt, kann es mit Bußgeldern bestraft werden (§ 24 LkSG). Darüber hinaus droht nach § 22 LkSG der zeitweise Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Ob ein Ausschluss möglich ist, hängt von der Höhe des Bußgeldes und der Art des Verstoßes ab. Je nach Art des Verstoßes kann Bietern bereits ab einem Bußgeld von 175.000 € ein Ausschluss drohen.

Bei § 22 LkSG handelt es sich um eine „Soll“-Vorschrift. Der Gesetzgeber räumt dem öffentlichen Auftraggeber damit ein sog. gebundenes Ermessen ein. Das bedeutet, dass der Auftraggeber zwar bei der Entscheidung, ob er von der Möglichkeit eines Ausschlusses Gebrauch macht, in jedem Einzelfall sein Ermessen ausüben muss, dass aber im Regelfall eine Entscheidung für den Ausschluss zu erwarten ist. Anderenfalls müssen besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen.

Das Ermessen gilt auch im Hinblick auf die Dauer der Dreijahresfrist, da es sich dabei um eine Höchstfrist handelt. Die Dauer kann somit im Einzelfall auch kürzer ausfallen.

Das Gesetz regelt mit § 22 LkSG keine allgemeine Vergabesperre. Das bedeutet, die jeweilige Vergabestelle muss in jedem Einzelfall den Ausschluss des betroffenen Bieters prüfen. Zudem ist er vor einem Ausschluss anzuhören (§ 22 Abs. 3 LkSG).

Möglichkeit der Selbstreinigung

Das Vergaberecht sieht zudem die Möglichkeit vor, dass Unternehmen, die auf Grund von Verstößen gegen Rechtsvorschriften von Vergabeverfahren an sich auszuschließen sind, nach einer sog. Selbstreinigung wieder daran teilnehmen dürfen (§ 125 GWB). Das gilt auch für Verstöße gegen das Lieferkettengesetz (§§ 124 Abs. 2, 125 GWB und § 22 Abs. 1 LkSG).

Liegen die Voraussetzungen einer erfolgreichen Selbstreinigung vor und hat der Bieter diese vollständig nachgewiesen, ist ein Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht mehr zulässig. Ab diesem Zeitpunkt besteht kein Ermessen des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers mehr für einen Ausschluss.

Das bedeutet, betroffene Unternehmen sollten sich in derartigen Fällen umgehend mit der Möglichkeit der Selbstreinigung durch Wiederherstellung der Integrität und Zuverlässigkeit beschäftigen. Dazu gehören beispielsweise die Bereitschaft zum Schadensausgleich, Aufklärung der Fehler und präventive Compliance-Maßnahmen.  

Rechtsschutz gegen einen Ausschluss

Die Ausschlussregelungen des § 22 LkSG gelten sowohl für sog. Oberschwellenvergaben (europaweite Ausschreibung) als auch für Unterschwellenvergaben (nationale Ausschreibung). Gegen die Entscheidung des Ausschlusses haben Bieter im Oberschwellenbereich die Möglichkeit ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und damit ein effektives Rechtsschutzmittel. Im Unterschwellenbereich besteht, wie sonst auch, lediglich die Möglichkeit vor Auftragsvergabe einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen bzw. nach Auftragsvergabe Schadensersatz geltend zu machen.

Aus der Perspektive der öffentlichen Auftraggeber

Auch für die öffentlichen Auftraggeber bedeuten die Neuregelungen einen zusätzlichen Aufwand, da zum bisherigen Prüfkatalog ein weiterer Prüfungspunkt dazu gekommen ist. Wenn ein zu berücksichtigendes Bußgeld im Sinne des § 22 LkSG vorliegt, muss die Vergabestelle prüfen, ob ggfs. eine ausreichende Selbstreinigung erfolgte und falls dies nicht der Fall ist, das Ermessen wirksam ausüben.

Beratung durch MKM + PARTNER

Wir haben bei MKM + Partner zum Thema Lieferkettengesetz ein Beratungsteam gebildet, das aus den Rechtsanwältinnen/-en Vivien Demuth, Jane Hohmann, Susanne Janssen und Ralph Weiss besteht. Wir beraten sowohl betroffene Unternehmen und Zulieferer als auch Vergabestellen im Hinblick auf das Lieferkettengesetz.

Autor: Ralph Weiss (Rechtsanwalt/Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht)