Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems

Der Hinweisgeberschutz hat es in Deutschland nicht leicht. Die Richtlinie (EU) 2019/1937 sollte eigentlich bis zum 17.12.2019 von den Mitgliedstaaten umgesetzt sein und Unternehmen ab 250 Beschäftigten sollten bereits verpflichtet sein (sowie ab dem 17.12.2023 Unternehmen ab 50 Beschäftigten), eine interne Meldestelle zu haben. In Deutschland wurde der Gesetzesentwurf am 10.02.2023 vom Bundesrat abgelehnt und am 05.04.2023 der Vermittlungsausschuss konsultiert.

Nachfolgend zeigen wir Ihnen, welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Sie bei der Einführung eines internen Hinweisgebersystems zu beachten haben, um Ihnen die Einführung eines Hinweisgebersystems zu erleichtern.

1. Unterrichtungsanspruch

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat zunächst gemäß § 80 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) über die geplante Einrichtung eines Hinweisgebersystems zu unterrichten. Dieser Unterrichtungsanspruch soll es dem Betriebsrat ermöglichen, eigenverantwortlich zu prüfen, ob Mitbestimmungsrechte bestehen oder weitere Aufgaben des Betriebsrats eröffnet werden.

2. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Der aktuelle Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes lässt dem Arbeitgeber einen weitgehenden Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung des Hinweisgebersystems. So wurde etwa die Frage, wie Verstöße gemeldet werden, vom Gesetzgeber bewusst offengehalten, um die Anforderungen an diejenigen Unternehmen, die erstmalig ein Verfahren zur Meldung von Hinweisen einrichten, möglichst gering zu halten.

Nach der ständigen Rechtsprechung betrifft die Einführung von Verfahren zur Meldung von Verstößen die betriebliche Ordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen der Ordnung des Betriebs ist bereits eröffnet, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das Verhalten der Mitarbeitenden steuern oder die Ordnung des Betriebs gewährleisten sollen. Es ist daher auch mitbestimmungspflichtig, wenn der Arbeitgeber Compliance-Richtlinien oder einen Verhaltenskodex einführen will, da hierdurch das Verhalten der Mitarbeitenden gesteuert werden soll.

3. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Sofern das Hinweisgebersystem mit dem Einsatz von technischen Einrichtungen erfolgen soll, ist zu prüfen, ob das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet ist. Hierfür genügt es, wenn die technische Einrichtung objektiv geeignet ist, Leistung und Verhalten der Mitarbeitenden zu überwachen. Für die objektive Eignung zur Überwachung ist es nicht erforderlich, dass die Daten über Leistung und Verhalten der Mitarbeitenden automatisch erhoben werden. Vielmehr ist es ausreichend, wenn diese manuell eingegeben, die Daten anschließend gespeichert und auf sie zugegriffen werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15).

Da auch im Rahmen des Hinweisgebersystems nicht ausgeschlossen ist, dass Mitarbeitende oder Dritte (z.B. Lieferanten), denen die Möglichkeit zur Abgabe eines Hinweises eröffnet ist, Hinweise abgeben, die Angaben zu Leistung und Verhalten von einzelnen Mitarbeitenden enthalten, ist von einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auszugehen.

4. Mitbestimmung bei Einstellung und Vesetzung

Arbeitgeber, welche die interne Meldestelle in eigener Verantwortung betreiben, müssen sicherstellen, dass entweder bereits vorhandenes Personal mit der Bearbeitung und Entgegennahme von Hinweisen betraut oder neues Personal hierfür eingestellt wird. Im Falle einer Einstellung ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG zu beachten und der Betriebsrat vor der Einstellung entsprechend zu beteiligen.

Wird hingegen bereits vorhandenes Personal für die Bearbeitung und Entgegennahme von Hinweisen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz eingesetzt, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dies eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn darstellt. Eine Versetzung liegt danach vor, wenn die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vorliegt, die länger als einen Monat andauert oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, § 95 Abs. 3 BetrVG. Eine nur unwesentliche Änderung des Aufgabenbereichs genügt nicht für eine Versetzung. Da die beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig agieren müssen, spricht vieles für eine Parallele zur Übertragung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten, die regelmäßig eine Versetzung darstellt (vgl. BAG, Beschluss vom 22.03.1994 – 1 ABR 51/93), sodass ein Mitbestimmungsrecht anzunehmen ist.

5. Beteiligungsrechte nach §§ 96 ff BetrVG

Der Gesetzesentwurf sieht in § 15 Abs. 2 S. 1 RegE-HinSchG vor, dass sicherzustellen ist, dass die beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen. Dies kann nach der Gesetzesbegründung beispielsweise durch geeignete Schulungen erfolgen. Abhängig vom jeweiligen Konzept für die Schulungsmaßnahme ergibt sich das Beteiligungsrecht des Betriebsrats. So sind Schulungsmaßnahmen mit dem Betriebsrat zu beraten und dessen Vorschlagsrechte diesbezüglich sind zu beachten.

6. Fazit

Auch wenn sich die Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes durch die Politik verzögert, ist Unternehmen anzuraten, bereits mit der Einführung eines internen Hinweisgebersystems zu beginnen und den Betriebsrat einzubinden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass im aktuellen Gesetzesentwurf lediglich eine Umsetzungsfrist von einem Monat für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden vorgesehen ist. Gerne unterstützen wir Sie bei der Einführung eines Hinweisgebersystems.

Weitere Informationen zum Hinweisgeberschutzgesetz und dem White Sparrow Hinweisgebersystem können Sie auch in unseren kostenlosen Info-Webinaren „Das neue Hinweisgeberschutzgesetz – aktuelle Anforderungen und Umsetzungstipps“ sowie in unserem regelmäßigen Newsletter erhalten.

Autorin: Jane Hohmann (Rechtsanwältin I Fachanwältin für Arbeitsrecht)