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Änderungen 2024: Was ändert sich zum Jahreswechsel im Arbeitsrecht?

1. Interne Meldestelle für Unternehmen ab 50 Beschäftigten und LkSG für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden

Bereits am 17.12.2023 endete die Umsetzungsfrist für die Einrichtung einer internen Meldestelle für Unternehmen ab 50 Beschäftigten. Seit Anfang Dezember 2023 kann nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) bei einer fehlenden Meldestelle ein Bußgeld von bis zu 20.000,00 Euro verhängt werden.

Zudem müssen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ab dem 01.01.2024 die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) einhalten.

Wenn Sie bei der Einrichtung einer internen Meldestelle oder zu den Anforderungen des LkSG Fragen haben, kommen Sie gerne auf uns zu.

2. Erhöhung des Mindestlohns und der Mindestvergütung für Auszubildende

Mit dem Jahreswechsel steigt der Mindestlohn auf 12,41 Euro brutto je Zeitstunde an. Mit der Erhöhung des Mindestlohnes steigt auch die Geringfügigkeitsgrenze von bisher 520,00 Euro auf 538,00 Euro. Auf diese Weise muss bei geringfügig Beschäftigten lediglich das Gehalt angepasst werden, die bisherige Stundenzahl kann aber beibehalten werden.

Mit dem Mindestlohn steigt auch die Mindestvergütung für Auszubildende nach § 17 Absatz 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG), gestaffelt nach Ausbildungsjahren.

Arbeitgeber haben daher die Verträge entsprechend zu prüfen und ggfs. nachzubessern. Hierbei sollten Arbeitgeber auch das Nachweisgesetz im Blick behalten, das verlangt, dass wesentliche Arbeitsbedingungen vom Arbeitgeber schriftlich niedergelegt und dem Arbeitnehmenden ausgehändigt werden. Hierzu zählt auch das Gehalt des Arbeitnehmenden.

Diese Pflicht gilt auch für Änderungen der Arbeitsbedingungen und zwar ab dem Tag, ab dem die Änderung gelten soll. Bei einem Verstoß kann ein Bußgeld von bis zu 2.000,00 Euro drohen.
 

3. Meldepflicht bei Elternzeit

Arbeitgeber haben zukünftig für Elternzeiten, die ab dem 01.01.2024 anfangen, den Beginn und das Ende der Elternzeit für gesetzlich krankenversicherte Personen, zusätzlich zu den „normalen“ Unterbrechungsmeldungen der Krankenkasse mitzuteilen. Die Meldungen sind dann jeweils mit der nächsten Entgeltabrechnung, spätestens sechs Wochen nach dem Beginn bzw. dem Ende der Elternzeit vorzunehmen.

Wird während der Elternzeit eine mehr als geringfügige Beschäftigung beim selben Arbeitgeber aufgenommen, hat dieser eine Ende-Meldung abzugeben. Die Meldungen müssen nicht vorgenommen werden, wenn es sich um privat krankenversicherte Mitarbeitende oder geringfügig Beschäftigte handelt sowie wenn während einer Elternzeit eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen wird.

4. Neuregelung beim Kinderkrankengeld

Zum Jahresbeginn wurde auch die Anspruchsdauer für den Bezug von Kinderkrankengeld erhöht. Für gesetzlich krankenversicherte Eltern steigen die Kinderkrankheitstage damit auf 15 Arbeitstage pro Kind, das jünger ist als 12 Jahre. Alleinerziehende haben ab 2024 Anspruch auf 30 Arbeitstage Kinderkrankengeld. Die Gesamtzahl der jährlichen Anspruchstage pro Elternteil steigt damit auf insgesamt 35 Arbeitstage und für Alleinerziehende auf 70 Arbeitstage pro Jahr.

Der Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht nur dann gegen die Krankenkasse, wenn der Arbeitgeber die Regelung des § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen hat.


5. Auslaufen der Inflationsausgleichsprämie

Nur noch bis Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie gewähren. Die Prämie kann in mehreren Teilbeträgen ausbezahlt werden und muss nicht an alle Mitarbeitenden ausbezahlt werden. Bei der konkreten Ausgestaltung sind jedoch nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch steuerrechtliche Vorgaben zu beachten. Bei Rückfragen kommen Sie daher gerne auf uns zu!

6. Elektronische Meldung von Arbeitsunfällen

Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten können ab dem 01.01.2024 digital gemeldet werden. Die Meldung kann über das Serviceportal der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgen. Ab dem 01.01.2028 wird eine elektronische Meldung dann für alle Betriebe Pflicht. Eine Meldung in Papierform ist daher noch bis Ende 2027 zulässig.


7. Erhöhung der Ausgleichsabgabe

Alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen gemäß § 154 SGB IX wenigstens 5% der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Halten sich Arbeitgeber nicht an diese Vorgabe, ist abhängig von der Anzahl besetzter Pflichtarbeitsplätze eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Ist keiner der Pflichtarbeitsplätze mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt, beträgt die Ausgleichsquote nunmehr 720,00 Euro. Die erhöhte Ausgleichsabgabe ist Ende März 2025 zu zahlen, wenn sie für das Jahr 2024 fällig wird. Für kleinere Arbeitgeber gelten aber weiterhin Sonderreglungen. Kommen Sie bei Fragen zu den aktuellen Änderungen und der Umsetzung in Ihrem Unternehmen gerne auf uns zu!

Schadenersatz bei jedem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung?

Der EuGH hat am 04.05.2023 (EuGH C-300/21) darüber entschieden, ob allein bei Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO (hier Verstoß gegen die Datenverarbeitung) der Datenverantwortliche an den Betroffenen Schadensersatz in Geld leisten muss. Das besondere an dem Fall war, dass der Betroffene Bürger gar keinen materiellen Schaden, sondern „nur“ einen immateriellen Schaden erlitten hatte, nämlich nach seiner Ansicht hat er „großes Ärgernis und einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürt“.

Der EuGH entschied recht eindeutig:

Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schadenersatzanspruch. Der Schadenersatzanspruch hängt auch nicht davon ab, ob der entstandene (immaterielle) Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht. Festlegungen zur Ermittlung der Höhe des Schadens sind Sache der Mitgliedsstaaten.

Was war passiert?

Die Österreichische Post sammelte Informationen über die politischen Affinitäten der österreichischen Bevölkerung und definierte mit Hilfe eines Algorithmus zu sozialen und demografischen Merkmalen „Zielgruppenadressen“. Daraus leitete die Österreichische Post ab, dass bestimmte Bürger eine hohe Affinität zu einer bestimmten österreichischen politischen Partei haben. Eine Übermittlung der verarbeiteten Daten an Dritte fand nicht statt.

Ein betroffener Bürger, der der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht zugestimmt hatte, begehrt vor den österreichischen Gerichten die Zahlung von 1 000 Euro. Er behauptete, er habe dadurch, dass ihm eine besondere Affinität zu der fraglichen Partei zugeschrieben worden sei, großes Ärgernis und einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung verspürt.

Der österreichische Oberste Gerichtshof äußerte Zweifel, ob die DSGVO Schadenersatz für den Fall vorsieht, dass allein wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist und legt dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung mit folgenden drei Fragen vor:

  1. Reicht der bloße Verstoß gegen die DSGVO aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen?
  2. Muss für den (immateriellen) Schadenersatz ein bestimmter Grad an Erheblichkeit erreichen werden?
  3. Welche unionsrechtlichen Vorgaben bestehen für die Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes?

Nach der Entscheidung des EUGH ist der in der DSGVO vorgesehene Schadenersatzanspruch an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft:

  1. Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO
  2. Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens, der aus diesem Verstoß resultiert
  3. Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß

Nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO begründet für sich genommen den Schadenersatzanspruch. Dem steht der klare Wortlaut der DSGVO entgegen. Nach den Erwägungsgründe der DSGVO, die speziell den Schadenersatzanspruch betreffen, führt ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden. Außerdem muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden bestehen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Somit unterscheidet sich die Schadenersatzklage von anderen in der DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfen – insbesondere bei der Verhängung von Geldbußen, bei der ein individueller Schaden nicht nachgewiesen werden muss.

Der Gerichtshof stellt allerdings weiter fest, dass der Schadenersatzanspruch nicht auf (materielle und) immaterielle Schäden beschränkt ist, die eine gewisse Erheblichkeit erreichen. Das entspricht nicht dem in der DSGVO gewählten weiten Verständnis des Begriffs „Schaden“. Würde zudem der Ersatz eines immateriellen Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte die graduelle Abstufung von der Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen. Das läuft dem Willen des Unionsgesetzgebers an einer gleichartigen Umsetzung der DSGVO in den Mitgliedsstaaten entgegen.

Schließlich:

Die DSGVO kennt keine Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes. Ausgestaltung von Klageverfahren und insbesondere die Festlegung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des geschuldeten Schadenersatzes ist Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten. Dabei soll aber ein vollständiger und wirksamer Schadenersatz für den erlittenen Schaden sichergestellt werden. Zur Frage des Verschuldens für einen Verstoß hat der EuGH in dieser Sache nicht entschieden. Dabei dürften aber die Schlussanträge des Generalanwaltes des EuGHs in der Rechtssache C-340/21 maßgeblich sein, der dort ausführt: „Für eine Haftungsbefreiung muss der Verantwortliche nachweisen, dass er für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, in keinerlei Hinsicht verantwortlich ist“. Ergo: Zunächst hat einmal der Verantwortliche jeden Verstoß gegen die DSGVO zu verantworten.

TikTok – Publicity um jeden Preis & jedes Risiko

Das soziale Netzwerk TikTok erfreut sich immer größerer Beliebtheit, auch bei Unternehmen. Denn insbesondere soziale Netzwerke eignen sich ausgezeichnet, kostengünstig und mit geringem Aufwand für Leistungen und Produkte eines Unternehmens zu werben. Jedoch stellt die Nutzung sozialer Netzwerke, wie auch TikTok, Unternehmen vor allem in Bezug auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen vor immer neue Herausforderungen.

Bei TikTok handelt es sich um ein Videoportal für die Lippensynchronisation von Musikvideos und anderen kurzen Videoclips, das zusätzlich Funktionen eines sozialen Netzwerks anbietet und vom chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben wird. Für Unternehmen besteht die Möglichkeit bei TikTok ein sog. Nutzerprofil “TikTok for Business” anzulegen. Sofern sich das Unternehmen dann einen sog. Business-Account eingerichtet hat, kann es kurze Videoclips erstellen, um beispielsweise neues Personal zu gewinnen oder für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Dabei werden oft die eigenen Beschäftigten in den Fokus gestellt bzw. als Schauspielende herangezogen.

Unternehmen können durch die Veröffentlichung von Videos eine sehr schnelle virale Reichweite erzielen, die deutlich erfolgsversprechender ist als auf anderen Plattformen. Jedoch bringt die Nutzung von TikTok vor allem aus rechtlicher Sicht einige Gefahren mit sich, insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes.

Funktionsweise von TikTok

Wie bereits eingangs erwähnt, wird TikTok vorwiegend dazu genutzt, kurze Videosequenzen hochzuladen, diese Videos mit anderen Nutzern zu teilen und somit den Bekanntheitsgrad des eigenen Unternehmens zu erhöhen. Hierzu kann sich der Nutzer auch der von TikTok zur Verfügung gestellten Musik und Filtern bedienen, um die Videos zu bearbeiten und anzupassen. Vor dem Hochladen des fertiggestellten Videoclips können zudem Produkte oder auch Personen verlinkt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Option „Stitch“ auszuwählen, wonach Teile des eigenen Videos von anderen Nutzern auf TikTok mit deren Videos kombiniert werden können.

Nach Erstellung eines Videos erhält der Nutzer die Möglichkeit, das Video mit anderen Nutzern entweder privat (nur mit Nutzern, denen selbst gefolgt wird) oder öffentlich (für alle Nutzer sichtbar) zu teilen.

Sind Videos erst einmal veröffentlicht, können sie von anderen Nutzern geliked, kommentiert, gespeichert oder auch auf anderen sozialen Kanälen geteilt werden. Auch ist es anderen Nutzern möglich, ein von einem Unternehmen für die Öffentlichkeit hochgeladenes Video für den eigenen Kanal zu bearbeiten und anschließend selbst zu veröffentlichen. Teilen Nutzer das Video beispielsweise auf Twitter, erscheint das Video zunächst mit der Abbildung der ersten Videosequenz unter dem Bereich “Tweets” des Twitteraccounts. Zudem kann der Link des Videos auch per WhatsApp, den Facebook Messenger und weiteren Apps von anderen Nutzern an beliebige Dritte gesendet werden.

Die Datenerhebung durch TikTok

Aus datenschutzrechtlicher Sicht äußerst bedenklich ist vor allem das „direkte“ oder „indirekte“ Sammeln und Verarbeiten zahlreicher Nutzerdaten durch TikTok. Hierunter fallen beispielhaft folgende vom Nutzer bereitgestellte Daten:  

  • Name
  • Telefonnummer
  • E-Mail-Adresse
  • Name des Unternehmens und dessen Sitz
  • IP-Adresse

TikTok weist in seiner „privacy policy“ darauf hin, dass in einigen Fällen auch geschäftliche Informationen, wie z.B. berufliche Kontaktdaten gespeichert werden. TikTok führt in seiner „privacy policy“ jedoch nur eine beispielhafte Aufzählung an Nutzerdaten an, die gespeichert und ggf. verarbeitet werden. Damit herrscht eine große Unsicherheit, welche Daten konkret von dem jeweiligen Nutzer durch TikTok gespeichert und ggf. weiterverarbeitet werden.

Weitergabe der personenbezogenen Daten

Kritisch zu sehen ist die Weitergabe der erhobenen, personenbezogenen Daten durch TikTok an andere Unternehmen. So gibt die Plattform z.B. sämtliche erhobenen Daten an Drittanbieter weiter, die TikTok dabei helfen, die Werbung auf der Plattform zu messen und den Werbetreibenden dabei zu unterstützen, die Wirksamkeit ihrer Werbung zu ermitteln. Weiterhin werden durch TikTok die erhobenen personenbezogenen Daten an Geschäftspartner, andere Unternehmen der gleichen Gruppe, Analyseanbieter und viele mehr weitergegeben. TikTok weist in seiner „privacy policy“ ausdrücklich darauf hin, dass die Daten an Unternehmen in den Ländern, wie die USA, Hongkong und Singapur weitergeben und dort entsprechend gespeichert werden. Es ist hierbei oft völlig unklar, zu welchen Zwecken die anderen Unternehmen die personenbezogenen Daten übermittelt bekommen und anschließend verarbeiten.

Rechtliche Herausforderungen

1. Veröffentlichung von Werbevideos unter Einbeziehung von Beschäftigten als Darsteller

Unternehmen verwenden TikTok vor allem zu Werbezwecken. Dabei werden oft Videoaufnahmen von und mit Beschäftigten erstellt. Nachfolgend zeigen ausgewählte Beispiele, welche Herausforderungen sich hieraus ergeben können.

1.1 Die Einwilligung beteiligter Personen
Sofern Bild-, Video-, und Tonaufnahmen von Beschäftigten durch das Unternehmen angefertigt werden, muss hierfür eine Einwilligung von der betroffenen Person eingeholt werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich ist hierbei, ob eine solche Einwilligung von den Beschäftigten überhaupt eingeholt werden sollte, da durch die Nutzung und das Hochladen eines Videos auf TikTok ggf. bereits datenschutzrechtliche Grundprinzipien nicht eingehalten werden können.

1.2 Widerruf der Einwilligung und das Recht auf Löschung
Selbst wenn das Unternehmen eine Einwilligung von den Beschäftigten eingeholt hat, stellt sich bei der Verwendung ein weiteres Problem hinsichtlich der Durchsetzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person gem. Art. 17 Abs. 1 lit. b DS-GVO. Diese Norm schreibt u.a. eine unverzügliche Löschung personenbezogener Daten vor, wenn die Verarbeitung auf eine Einwilligung gestützt und diese anschließend widerrufen wurde und es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Widerruft die beschäftigte Person nach Veröffentlichung des Videos seine Einwilligung, so hätte der Arbeitgeber das Video auf TikTok unverzüglich zu löschen. Zwar ist die Löschung des Videos auf TikTok durch den Nutzer, der das Video hochgeladen hat, auf dem Unternehmensprofil jederzeit möglich, allerdings ergibt sich hierbei das Problem, dass das von dem Unternehmen hochgeladene und inzwischen wieder gelöschte Video bereits durch andere Nutzer entweder auf TikTok oder auf anderen sozialen Netzwerken geteilt, gespeichert oder anderweitig verbreitet worden sein kann.

Gemäß der Datenschutzerklärung von TikTok kann der Nutzer TikTok zumindest darum bitten, die Daten ganz oder teilweise auf der Plattform zu löschen. Ob TikTok diesem Versprechen tatsächlich nachkommen wird bzw. überhaupt kann, ist aber mehr als fraglich. Infolge dessen wird es das Unternehmen als Arbeitgeber schwer haben, den gesetzlichen Löschungsanspruch der Beschäftigten nach erklärtem Widerruf der Einwilligungserklärung in der Praxis (rechtssicher) zu erfüllen.

2. Übermittlung der Daten an Drittländer

Wie eingangs näher beschrieben, werden alle erhobenen Daten der Nutzer der gesamten Unternehmensgruppe weitergegeben.

Darüber hinaus werden (personenbezogene) Daten in weitere, sog. “unsichere Drittländer” mit Sitz in Singapur oder den USA übermittelt, welche das in der EU geltende Datenschutzniveau nicht garantieren können.

TikTok nutzt zudem den Dienst Appsflyer, um Nutzerdaten zu sammeln und die Werbung entsprechend anzupassen. Dabei ist derzeit unbekannt, wohin die Daten von Appsflyer verteilt werden. Der Dienst nennt über 4.500 mögliche Partnerfirmen, die auf die Daten zugreifen können.

3. Beteiligung von externen Dritten an Videos

Weitere Herausforderungen ergeben sich, wenn das jeweilige Unternehmen nicht die eigenen Beschäftigten in die Videoaufnahmen einbezieht, sondern externe Dritte (z.B. Influencer oder Models) zur Mitwirkung an den Videos beauftragt. Hierbei sind nicht nur die Vorgaben der DSGVO zu beachten, sondern auch vertragliche Beziehungen und weitere Gesetze. Für diesen Fall ist eine umfassende Rechtsberatung erforderlich, bei der Ihnen das Team von MKM LEGAL weiterhelfen kann.

Fazit

Die Nutzung von TikTok für geschäftliche Zwecke ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht mit vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden. Wenn Sie mehr über die unternehmerische Nutzung von TikTok erfahren möchten und auf Ihre Anforderungen hin konkrete Handlungsempfehlungen wünschen, kontaktieren Sie uns gern.

Vermieter aufgepasst!

Anfang dieses Jahres hat das Statistische Bundesamt das Basisjahr des Verbraucherpreisindexes auf das Jahr 2020 angepasst und aktualisiert. Was es damit auf sich hat und wie die Änderung Sie betrifft, soll dieser Beitrag aufzeigen:

Der Verbraucherpreisindex ist die monatliche Darstellung der durchschnittlichen Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen, die konsumrelevant für private deutsche Haushalte sind. Somit ist dieser monatlich ermittelte Index der wohl zuverlässigste Gradmesser für die Entwicklung der Geldwertstabilität.

Darüber hinaus ist er häufig vereinbarte Grundlage für Mietpreisanpassungen im Rahmen sog. Wertsicherungsklauseln vieler Gewerberaummietverträge in Deutschland. Der Verbraucherpreisindex wird regelmäßig, zumeist alle fünf Jahre, einer Revision unterzogen und auf ein neues Basisjahr umgestellt. Am 22. Februar 2023, nach Veröffentlichung der Ergebnisse für den Berichtsmonat Januar 2023, erfolgte die Umstellung des Basisjahres von 2015 auf das neue Basisjahr 2020.

Durch diese Umstellung wurden vor allem relevante Änderungen der Teuerungsraten der Jahre 2020 bis 2022 berücksichtigt. Für Zeiträume vor Januar 2020 wurden die Teuerungsraten nur auf das neue Basisjahr umgerechnet, hier ergeben sich daher nur rundungsbedingte Änderungen in engen Grenzen. Für bereits in der Vergangenheit vorgenommene Änderungen hat die Umstellung keine Auswirkungen.

Häufig stellt sich Vermietern von Gewerberaum jetzt aber die Frage, wie sie künftig etwaige Mietsteigerungen korrekt berechnen sollen. Es besteht häufig Unklarheit, ob die im Mietvertrag mit einem alten Basisjahr vereinbarte Veränderung des Verbraucherpreisindexes schon erreicht ist und eine Mietanpassung erfolgen kann.

Hier ist zunächst zu prüfen, welche Art von Wertsicherungsklausel im eigenen Gewerberaummietvertrag vereinbart wurde. Früher häufig verwendet wurde die Festlegung eines Punktwertes, der im Verhältnis zum vereinbarten Basisjahr zu sehen ist. Das sind die sog. „Punkteregelungen“, welche nach Umstellung des Basisjahres regelmäßig Probleme bereiten und überaus konfliktträchtig sind.

Daneben gibt es noch die sog. „Prozentregelungen“, welche eine Berechnung unabhängig vom Basisjahr ermöglichen und damit deutlich einfacher in der Anwendung sind.

Das Statistische Bundesamt empfiehlt deshalb seit Jahren, bestehende Punkteregelungen nach Möglichkeit auf Prozentregelungen oder Terminregelungen anzupassen. Hierdurch werden die Prüfung der Regelung und die vorzunehmende Berechnung für Vermieter stark vereinfacht.

Da die Berechnung der Teuerungsraten bei Punktereglungen nicht nur zeitaufwendiger, sondern auch komplizierter ist, hat sich ein ganz neuer Markt an Anbietern entwickelt, welche diese Berechnung gegen teils hohes Entgelt anbieten. Einen bestehenden Mietvertrag von einer Punkteregelung in eine Prozent- oder Terminregelung umzustellen, ist daher nicht nur gemessen am Aufwand, sondern auch finanziell lohnenswert.

Liegt eine Punktregelung vor und ist ein anderes Basisjahr im Vertrag vereinbart, so sind mehrere Rechenschritte nötig, um herauszufinden, ob eine Anpassung schon vorgenommen werden kann. Zunächst müssen die Indexstände des aktuellen Basisjahres auf das ursprünglich vereinbarte Basisjahr umgerechnet werden, danach kann die Veränderung in Punkten geprüft werden, um schließlich die Berechnung der Prozentzahl, um die der Geldbetrag anzupassen ist, vorzunehmen.

Bei der Prozentregelung ist die Umrechnung des Indexes auf ein früheres Basisjahr nicht erforderlich, es kann hier immer mit den aktuellen Indexständen gerechnet werden, da die Prozentregelung vom Basisjahr des Index unabhängig ist. Die Prüfung der Möglichkeit einer Anpassung findet in einem einfachen Schritt statt: Der Indexstand, ab dem angepasst werden kann, ergibt sich aus der Multiplikation des Indexstands des Bezugsmonats mit 1,05 (für eine beispielsweise vereinbarte Veränderung von 5%).

Für diese Berechnung stellt das statistische Bundesamt zudem einen Wertsicherungsrechner unter destatis.de/wsk zur Verfügung, in dem mittels weniger Klicks die Berechnung einfach selbst vorgenommen werden kann. Wer sich unsicher ist oder den Rechner nicht selbst nutzen will, kann die dort angebotene Berechnung für 30,- € auch vom statistischen Bundesamt vornehmen lassen.

Für Punktregelungen können in beiden Fällen nur Berechnungen bis Dezember 2002 als Startmonat vorgenommen werden, spätere frühere Zeiträume werden nicht mehr unterstützt.

Um die hier aufgezeigten deutlichen Nachteile der Punkteregelung zu vermeiden, empfiehlt sich daher, bei neuen Gewerbemietverträgen auf eine rechtssichere Prozentregelung bei der Wertsicherungsklausel zu achten bzw. alte Klauseln entsprechend anzupassen! Bei Letzterem ist insbesondere darauf zu achten, die grundsätzlich nötige Schriftform zur Wahrung der Formwirksamkeit und die allgemein für Wertsicherungsklauseln geltenden Voraussetzungen einzuhalten.

Für Nutzer von Wertsicherungsklauseln, deren Verträge noch auf zwischenzeitlich weggefallene Indizes Bezug nehmen (z.B. für spezielle Haushaltstypen, „früheres Bundesgebiet“, „neue Länder und Berlin-Ost“), ist eine Anpassung der Wertsicherungsklausel bzw. ein rechnerischer Umstieg von diesen Preisindizes auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland ohnehin zwingend notwendig.

Sprechen Sie unser Gewerbemietrechtsteam gerne an, wenn Sie im Zusammenhang mit Ihrer Wertsicherungsklausel Unterstützung benötigen!

Was schützt ein Designrecht

Edle Handtaschen von Gucci, stilvolle Anzüge von Giorgio Armani oder coole Sneakers von Adidas stehen in den Schaufenstern von schicken Einkaufsstraßen. Diese Produkte sind eingetragene Designs und schützen die Erscheinungsform dieser Produkte. 

Mit einem eingetragenen Design verfügt man über ein zeitlich begrenztes Monopol auf die Form und farbliche Gestaltung eines Produktes, zum Beispiel Bekleidung, Möbel, Fahrzeuge, Stoffe, Ziergegenstände oder grafischen Symbole. Auch Teile von Erzeugnissen können als eingetragenes Design geschützt werden. 

Damit schützt das Design nicht das Produkt per se, sondern lediglich dessen äußere Erscheinungsform. Hier stehen also nicht die technischen Aspekte im Vordergrund, sondern allein die Ästhetik

Was ist der Unterschied zwischen einem Geschmacksmuster und einem Design?

Bis 2014 hieß das Design in Deutschland „Geschmacksmuster“, dann wurde dieser veraltete Begriff durch „Design“ ersetzt. In der EU wird aber weiterhin von einem „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ (GGM) gesprochen. 

Voraussetzungen für Schutzfähigkeit

Ein Design muss zum Zeitpunkt der Anmeldung „neu“ sein. Neu heißt, dass vor dem Anmeldetag kein identisches oder nur in unwesentlichen Merkmalen abweichendes Design veröffentlicht, ausgestellt oder auf den Markt gebracht worden sein darf. 

Des Weiteren muss das Design eine gewisse „Eigenart“ aufweisen. Sein Gesamteindruck muss sich dafür von dem bereits bestehenden Design unterscheiden. An die Eigenart werden jedoch keine besonders hohen Anforderungen gestellt. 

Neuheit und Eigenart werden nicht vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geprüft. Daher bezeichnet man das eingetragene Design auch als ungeprüftes Schutzrecht. Ob die Schutzvoraussetzungen für ein Design vorliegen, entscheiden im Streitfall die Zivilgerichte. 

Anmeldung eines Designs

Mehrere Designs können in einer Sammelanmeldung gemeinsam angemeldet werden (bei deutschen eingetragenen Designs bis zu 100 Designs pro Anmeldung). Die Anmeldekosten für ein Sammeldesign sind daher bedeutend niedriger. 

Schutzdauer eines Designs

Ein eingetragenes Design genießt zunächst Schutz für 5 Jahre ab dem Anmeldedatum. Die Schutzdauer kann jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden, maximal auf 25 Jahre. 

Nichteingetragene EU-Gemeinschaftsgeschmacksmuster (EU-GGM)

Eine weitere Möglichkeit, ein Design kurzfristig und ohne vorherige Eintragung beim Amt zu schützen, ist das nicht eingetragene EU-Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGM). Es entsteht durch die bloße Offenbarung des GGM in der EU und bietet einen Schutz von 3 Jahren vor Nachahmungen. Die Schutzdauer ist bei Nichtanmeldung somit weit kürzer als im Falle der Registrierung. 

Das nicht eingetragene EU-GGM ist insbesondere für Branchen mit sehr kurzlebigen Produktzyklen interessant (z.B. Modebranche). Für diese Wirtschaftszweige ist ein grundsätzlicher – wenn auch im Umfang sehr viel geringerer – Schutz ohne Eintragungsformalitäten vorteilhaft und die Schutzdauer selbst von geringerer Bedeutung. 


Autorin: Gabriele Fuchs (Marken-, Design- und Patentreferentin)

Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf das Vergaberecht

Seit dem 01.01.2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz bzw. LkSG) in Kraft. Von dem Gesetz sind derzeit Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern betroffen (ab dem 01. Januar 2024 Unternehmen mit mind. 1.000 Arbeitnehmern). Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten.

Auswirkungen auf die öffentliche Auftragsvergabe

Wenn ein Unternehmen gegen das Lieferkettengesetz verstößt, kann es mit Bußgeldern bestraft werden (§ 24 LkSG). Darüber hinaus droht nach § 22 LkSG der zeitweise Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Ob ein Ausschluss möglich ist, hängt von der Höhe des Bußgeldes und der Art des Verstoßes ab. Je nach Art des Verstoßes kann Bietern bereits ab einem Bußgeld von 175.000 € ein Ausschluss drohen.

Bei § 22 LkSG handelt es sich um eine „Soll“-Vorschrift. Der Gesetzgeber räumt dem öffentlichen Auftraggeber damit ein sog. gebundenes Ermessen ein. Das bedeutet, dass der Auftraggeber zwar bei der Entscheidung, ob er von der Möglichkeit eines Ausschlusses Gebrauch macht, in jedem Einzelfall sein Ermessen ausüben muss, dass aber im Regelfall eine Entscheidung für den Ausschluss zu erwarten ist. Anderenfalls müssen besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen.

Das Ermessen gilt auch im Hinblick auf die Dauer der Dreijahresfrist, da es sich dabei um eine Höchstfrist handelt. Die Dauer kann somit im Einzelfall auch kürzer ausfallen.

Das Gesetz regelt mit § 22 LkSG keine allgemeine Vergabesperre. Das bedeutet, die jeweilige Vergabestelle muss in jedem Einzelfall den Ausschluss des betroffenen Bieters prüfen. Zudem ist er vor einem Ausschluss anzuhören (§ 22 Abs. 3 LkSG).

Möglichkeit der Selbstreinigung

Das Vergaberecht sieht zudem die Möglichkeit vor, dass Unternehmen, die auf Grund von Verstößen gegen Rechtsvorschriften von Vergabeverfahren an sich auszuschließen sind, nach einer sog. Selbstreinigung wieder daran teilnehmen dürfen (§ 125 GWB). Das gilt auch für Verstöße gegen das Lieferkettengesetz (§§ 124 Abs. 2, 125 GWB und § 22 Abs. 1 LkSG).

Liegen die Voraussetzungen einer erfolgreichen Selbstreinigung vor und hat der Bieter diese vollständig nachgewiesen, ist ein Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht mehr zulässig. Ab diesem Zeitpunkt besteht kein Ermessen des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers mehr für einen Ausschluss.

Das bedeutet, betroffene Unternehmen sollten sich in derartigen Fällen umgehend mit der Möglichkeit der Selbstreinigung durch Wiederherstellung der Integrität und Zuverlässigkeit beschäftigen. Dazu gehören beispielsweise die Bereitschaft zum Schadensausgleich, Aufklärung der Fehler und präventive Compliance-Maßnahmen.  

Rechtsschutz gegen einen Ausschluss

Die Ausschlussregelungen des § 22 LkSG gelten sowohl für sog. Oberschwellenvergaben (europaweite Ausschreibung) als auch für Unterschwellenvergaben (nationale Ausschreibung). Gegen die Entscheidung des Ausschlusses haben Bieter im Oberschwellenbereich die Möglichkeit ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und damit ein effektives Rechtsschutzmittel. Im Unterschwellenbereich besteht, wie sonst auch, lediglich die Möglichkeit vor Auftragsvergabe einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen bzw. nach Auftragsvergabe Schadensersatz geltend zu machen.

Aus der Perspektive der öffentlichen Auftraggeber

Auch für die öffentlichen Auftraggeber bedeuten die Neuregelungen einen zusätzlichen Aufwand, da zum bisherigen Prüfkatalog ein weiterer Prüfungspunkt dazu gekommen ist. Wenn ein zu berücksichtigendes Bußgeld im Sinne des § 22 LkSG vorliegt, muss die Vergabestelle prüfen, ob ggfs. eine ausreichende Selbstreinigung erfolgte und falls dies nicht der Fall ist, das Ermessen wirksam ausüben.

Beratung durch MKM + PARTNER

Wir haben bei MKM + Partner zum Thema Lieferkettengesetz ein Beratungsteam gebildet, das aus den Rechtsanwältinnen/-en Vivien Demuth, Jane Hohmann, Susanne Janssen und Ralph Weiss besteht. Wir beraten sowohl betroffene Unternehmen und Zulieferer als auch Vergabestellen im Hinblick auf das Lieferkettengesetz.

Autor: Ralph Weiss (Rechtsanwalt/Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht)

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur Lohnungleichheit – Ein Meilenstein

In einer bahnbrechenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) über den Grundsatz Equal Pay bei Männern und Frauen entschieden. Allein die Begründung des Arbeitgebers, die bessere Bezahlung eines männlichen Mitarbeiters basiere auf dem Umstand, er habe im Rahmen des Einstellungsgespräches besser verhandelt als die weibliche Mitarbeiterin, reicht nach Ansicht des BAG nunmehr nicht mehr aus.

Entscheidung des BAG

In seiner Entscheidung vom 16. Januar 2023 – Az.: 8 AZR 450/21 hatte das BAG entschieden, dass gleiche Bezahlung nicht wegverhandelt werden darf. Bisher wurde nur eine Pressemitteilung des BAG veröffentlicht, die konkrete Urteilsbegründung steht noch aus. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern das BAG eine ungleiche Bezahlung aufgrund anderer Aspekte, wie höherer Qualifikationen oder einer längeren Berufserfahrung zulässt. 

Sachverhalt

Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine Vertriebsmitarbeiterin eines Metallunternehmens in Meißen war seit dem 01. März 2017 in dem Unternehmen beschäftigt. Im Rahmen des Einstellungsgespräches wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten, dem Arbeitgeber, ein Grundgehalt i.H.v. 3.500 € brutto ausverhandelt. Ab August 2018 richtete sich die Vergütung der Klägerin nach dem Haustarifvertrag. In dem Haustarifvertrag wurde u.a. geregelt, dass eine Anpassung des Gehaltes um nicht mehr als 120,- € brutto in dem Zeitraum von 2018 bis 2020 erfolgt, wenn das neue tarifliche Grundgehalt das bisherige tarifliche Entgelt überschreitet. Infolge dessen wurde der Klägerin ab dem 1. August 2018 ein Grundgehalt i.H.v. 3.620 € brutto bezahlt, welches in jährlichen Schritten weiter abgehoben wurde. Bei der Beklagten waren als Außendienstmitarbeiter auch noch zwei männliche Mitarbeiter beschäftigt, einer davon seit dem 01. Januar 2017. Er wurde daher nur wenige Wochen vor der Klägerin eingestellt. Diesem Mitarbeiter wurde seitens der Beklagten im Einstellungsgespräch ein Bruttomonatsgehalt i.H.v. 3.500 € angeboten, was er jedoch ablehnte und vielmehr ein Bruttomonatsgehalt i.H.v. 4.500 € bis zum 31. Oktober 2017 aushandelte. Von November 2017 bis Juni 2018 erhielt der Arbeitnehmer, wie auch die Klägerin ein Grundgehalt von 3.500 €, zzgl. einer leistungsabhängigen Zusatzvergütung. Im Juli 2018 wurde sein Grundgehalt auf 4.000 € erhöht.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeiträume von März bis Oktober 2017 i. H. v. 1.000 € und für den Monat Juli 2018 i. H. v. 500 € sowie rückständiger Vergütung für den Zeitraum von August 2018 bis Juli 2019 i.H.v. monatlich 500 €. Sie war der Auffassung, ihr sei ein ebenso hohes Grundentgelt zu zahlen, wie dem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen, der die gleiche Arbeitstätigkeit verrichtet, wie sie. Die Arbeitnehmerin sah darin eine Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts und forderte deshalb zusätzlich eine Entschädigungszahlung i.H.v. mindestens 6.000 €. 

Entscheidung der Vorinstanzen

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der männliche Mitarbeiter sei nur zu einem höheren Gehalt dazu bereit gewesen, die Arbeitsstelle anzunehmen. Die Gehaltsunterschiede in dem Unternehmen seien nach Ansicht der Vorinstanzen damit gerechtfertigt, dass das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Mitarbeitergewinnung hatte und dem Mitarbeiter aufgrund dessen ein anfänglich höheres Gehalt auszahlte.

Begründung des BAG

Die Klägerin legte Revision bei dem BAG ein und hatte dort ganz überwiegend Erfolg. Nach Ansicht des BAG habe die Beklagte die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, indem sie ihr ein deutlich niedrigeres Gehalt als den männlichen Kollegen ausgezahlt hatte, obwohl sie die gleiche Arbeit, wie der männliche Mitarbeiter verrichtete. Den Anspruch auf das gleiche Grundentgelt ergebe sich aus Art. 157 AEUV, §§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG. Nach Art. 157 Abs. 1 AEUV muss jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherstellen. Gemäß § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Nach Ansicht des BAG begründet der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen ein niedrigeres Gehalt erhalten hat, die Vermutung, dass eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, die ungleiche Bezahlung ergebe sich aus dem Umstand, dass der männliche Kollege ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Einer Frau steht auch dann ein Anspruch auf gleiche Bezahlung zu, wenn der männliche Kollege sein Gehalt besser verhandelt hat.

Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Nachzahlung der Differenzvergütung. Weiterhin hat das BAG der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts i.H.v. 2.000 € zugesprochen.   

Fazit

Noch immer verdienen Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen deutlich weniger. Die Entscheidung des BAG ist ein weiterer Schritt, um die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen voranzubringen. Denn die bisherigen nationalen Gesetze, wie z.B. das EntgTranspG weisen zum Teil noch große Lücken auf. So sieht das EntgTranspG beispielsweise keine Sanktionen, wie die Zahlung von Bußgeldern im Falle eines Gesetzesverstoßes vor.

Da das Thema Lohngleichheit jedoch immer bedeutsamer wird, arbeitet u.a. auch die Europäische Union (EU) derzeit an einer Richtlinie, um die Lohnungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen zu schließen. Der bisherige Richtlinienentwurf der EU sieht auch einen Auskunftsanspruch vor, wonach Beschäftigte einen Anspruch auf Auskunft über den Durchschnittslohn der anderen Mitarbeitenden erhalten sollen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und vergleichbarer Tätigkeit. Bereits am 29. März 2023 soll in dem Plenum des EU-Parlaments über diese Richtlinie abgestimmt werden. Sobald dies geschehen ist, wird die Richtlinie zeitnah veröffentlicht und tritt 20 Tage danach in Kraft. Die Mitgliedsstaaten sollen dann drei Jahre Zeit haben, die Anforderungen in nationales Recht umzusetzen.

Unternehmen sollten sich frühzeitig Gedanken über Lohntransparenz machen und sich darauf einstellen, dass die Löhne in ihrem Unternehmen in den nächsten Jahren transparenter werden.  

Autorin: Vivien Demuth (Rechtsanwältin)

Das neue Plattformen-Steuertransparenzgesetz

Am 20. Dezember 2022 wurde das Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung vom Bundestag verabschiedet. Das Gesetz, welches zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, statuiert eine Meldepflicht für Transaktionen, die von Privaten und Unternehmen unter Verwendung digitaler Pattformen getätigt werden. Ziel ist der leichtere Zugang der Finanzbehörden zu unter Umständen steuerrelevanten Informationen im Zusammenhang mit solchen Geschäften.

Das PStTG betrifft lediglich Steuerverfahrensrecht – eine Änderung der Besteuerung von mithilfe von digitalen Plattformen getätigten Transaktionen beinhaltet das Gesetz nicht. Das heißt, Umsätze, die bisher nicht steuerbar waren, sind es fortan auch nicht.

Wer ist Adressat des Gesetzes?

Verpflichtete des PStTG sind Betreiber digitaler Plattformen wie Airbnb, Ebay, Momox und Uber. Sie müssen bestimmte Daten der Anbieter, die ihre Plattformen nutzen, erheben, plausibilisieren und an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermitteln. Von dort werden die Daten an die zuständigen Finanzbehörden der Länder und von dort an die jeweiligen Finanzämter weitergeleitet, die diese im Besteuerungsverfahren berücksichtigen und gegebenenfalls überprüfen, ob der Verkäufer die Verkaufserlöse in seiner Steuererklärung angegeben hat.

Eine Plattform wird dabei im Gesetz definiert als „jedes auf digitalen Technologien beruhende System, das es Nutzern ermöglicht, über das Internet mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen“. Der Plattformbetreiber und Verpflichtete des Gesetzes ist somit kein Beteiligter am Rechtsgeschäft, sondern gibt nur die Gelegenheit dazu, dieses abzuschließen. Entsprechend sind Betreiber von Internetseiten, die ihre eigene Ware oder Dienstleistung vertreiben, durch das Gesetz nicht verpflichtet.

Ist ein Plattformbetreiber sich nicht sicher, ob er nach diesem Gesetz meldepflichtig ist, kann er beim BZSt eine kostenpflichtige Auskunft zu dieser Frage einholen.

Welche Rechtsgeschäfte sind erfasst?

Das Gesetz sieht vor, dass von einem Anbieter eine „relevante Tätigkeit“ gegen eine Vergütung erbracht wird, damit die Meldepflicht eintritt. Dies ist

  1. eine zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungen und Rechten an unbeweglichem Vermögen,
  2. eine persönliche Dienstleistung wie Beförderungs- und Lieferdienste,
  3. der Verkauf von Waren oder
  4. die Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten jeder Art an Verkehrsmitteln.

Ausgenommen von der Meldepflicht sind Daten „freigestellter Anbieter“. Dies sind u.a. natürliche Personen und Rechtsträger, deren Transaktionen auf der Plattform unter eine Bagatellgrenze fallen: Sie führen pro Meldezeitraum (=Kalenderjahr) weniger als 30 Transaktionen mit einem Gesamtvergütungsvolumen von weniger als 2.000 Euro durch. Transaktionsdaten sammeln, aufbereiten und auswerten muss der Plattformbetreiber allerdings auch in Bezug auf diese freigestellten Anbieter.

Ein Plattformbetreiber kann sich von der Meldepflicht befreien lassen, wenn er gegenüber dem BZSt nachweist, dass seine Plattform nur von freigestellten Anbietern genutzt wird.

Welche Daten müssen gemeldet werden?

Ist der Anbieter eine natürliche Person, müssen

  1. Vor- und Nachname
  2. Anschrift
  3. die Steuer-IdNr., falls nicht vorhanden – Geburtsort
  4. die Identifikationsnummer für Umsatzsteuerzwecke, falls vorhanden
  5. das Geburtsdatum
  6. die Kennung des Finanzkontos, falls vorhanden, sowie den Namen seines Inhabers, falls er vom Namen des Anbieters abweicht
  7. jeder Mitgliedstaat der EU, in dem der Anbieter als ansässig gilt, oder in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, in Bezug auf das der Anbieter Rechtsgeschäfte über die Plattform abgeschlossen hat,
  8. Gebühren, Provisionen oder Steuern, die in jedem Quartal des Meldezeitraums vom Plattformbetreiber einbehalten oder berechnet wurden,
  9. die in jedem Quartal des Meldezeitraums insgesamt gezahlte oder gutgeschriebene Vergütung, und
  10. die Zahl der Transaktionen, für die dem Anbieter in jedem Quartal des Meldezeitraums eine Vergütung gezahlt oder gutgeschrieben wurde,

gemeldet werden.

Ist der Anbieter eine juristische Person, eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse, müssen

  1. der eingetragene Name
  2. die Sitzanschrift
  3. jede Steuer-IdNr, die dem Anbieter erteilt wurde, und der EU-Staat, der sie erteilt hat,
  4. die Identifikationsnummer für Umsatzsteuerzwecke, falls vorhanden
  5. die Handelsregisternummer,
  6. das Bestehen einer Betriebsstätte in der EU, über die für dieses Gesetz relevante Tätigkeiten ausgeübt werden, falls vorhanden, und
  7. die oben in Nrn. 6-10 genannten Informationen

gemeldet werden.

Zusätzlich zu den meldepflichtigen Informationen sieht das Gesetz die Erhebung weiterer personenbezogener Daten vor.

Wie werden die Daten durch den Plattformbetreiber erhoben?

Die Anbieter sind verpflichtet, den Plattformbetreibern die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Legt ein Anbieter die geforderten Daten auch nach zweimaliger Erinnerung durch den Plattformbetreiber nicht vor, hat letzterer die Nutzung der Plattform durch den unkooperativenen Anbieter zu verhindern oder die dem Anbieter gezahlte Vergütung einzubehalten. Die Meldung hat bis zum 31. Januar des Jahres, das auf das Jahr folgt, in welchem ein Anbieter als meldepflichtig identifiziert worden ist, zu erfolgen.

Merkt der Plattformbetreiber, dass eine Meldung nicht oder unrichtig erfolgt ist, hat er die Meldung unverzüglich nachzuholen oder zu korrigieren. Das nicht rechtzeitige Melden stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 Euro bewehrt ist.

Der Plattformbetreiber ist verpflichtet, bestimmte erhebungs- und meldepflichtige Daten einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Die Überprüfung des Namens eines Anbieters soll beispielsweise anhand von behördlichen Ausweisdokumenten, Finanzinformationen, Emails und sonstigen Angaben, über die der Plattformbetreiber in seinen Unterlagen verfügt, vollzogen werden. Für die Überprüfung der Gültigkeit der Steuer-IdNr. und der Ust-IdNr. soll der Plattformbetreiber alle öffentlich verfügbaren automatischen Prüfsysteme nutzen.

Stellt der Plattformbetreiber fest, dass gewisse Angaben des Anbieters nicht plausibel sind, hat er unverzüglich neue Informationen zu erheben. Im Falle eines „Berichtigungsverlangens“ des BZSt – etwa aufgrund eigener Ermittlungen – muss der Plattformbetreiber die von ihm gemachten Angaben durch Belege bestätigen.

Auswirkungen des Gesetzes für Plattformnutzer und Plattformbetreiber

Privatpersonen, die beispielsweise auf Ebay Gebrauchtgegenstände verkaufen, ist zu raten, über die getätigten Verkäufe für den Fall einer Überprüfung durch die Steuerbehörde buchzuführen. An den Steuerfreigrenzen für private Verkäufe und der Grenzziehung zur Gewerbsmäßigkeit ändert sich durch das neue Gesetz nichts. Für Plattformbetreiber, die zu „Verwaltungsgehilfen“ der Steuerbehörden werden, bestehen die Konsequenzen in einem großen bürokratischen Mehraufwand, welcher kleinere Plattformbetreiber voraussichtlich stärker treffen wird als größere. Auch kann unter Umständen – im Falle der fehlenden Mitwirkung von Anbietern und den folgenden Sanktionsmaßnahmen – mit Umsatzeinbußen der Plattformbetreiber gerechnet werden.

Autorin: Susanne Janssen (Rechtsanwältin)

Casino Loyal – Verbotenes Spiel mit den Mitarbeitern des Konkurrenten

Ich mache ihm ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann.“ Dieser berühmte Satz aus dem Film „Der Pate“ steht sinnbildlich für eine eher unmoralische Offerte. Mit diesem Artikel soll der Frage nachgegangen werden, wann das Abwerben von Mitarbeitern bei der Konkurrenz nicht nur unmoralisch, sondern auch gesetzlich verboten ist.

Der Mitarbeiter als Freiwild

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu diesem Thema einen recht nachvollziehbaren Grundsatz geprägt, der den HR-Abteilungen in Bezug auf die eigenen Schäfchen nicht schmecken wird: „Arbeitgeber haben keinen Anspruch darauf, dass der Bestand ihrer Mitarbeiter vor Konkurrenz geschützt wird. Als Folge des freien Wettbewerbs müssen es Arbeitgeber hinnehmen, dass Mitarbeiter abgeworben werden.“ (BGH, Urteil vom 30.04.2014, Aktenzeichen I ZR 245/12). So wie man wechselwillige Mitarbeiter nur schlecht aufhalten kann, ist es eben den Mitbewerbern grundsätzlich gestattet, die Mitarbeiter der Konkurrenz anzusprechen und mit besseren Konditionen zu locken.

Grundsätzlich kein Mittel dagegen sind zum einen einschränkende Regelungen in den Arbeitsverträgen, die den Mitarbeitern den Wechsel erschweren sollen – dieser Umstand soll hier aber nicht vertieft werden. Wie § 75f HGB zeigt, ist zum anderen auch davon abzuraten, mit den Mitbewerbern irgendwelche Absprachen im Sinne eines „Nichtabgriffspakts“ zu vereinbaren.

Der Vertragsbruch des Mitarbeiters

Allerdings ist eine Grenze der Abwerbung da zu sehen, wo der Mitarbeiter einen Vertragsbruch begeht und der Mitbewerber ihn dazu verleitet. Verleiten bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man die noch bestehende Bindung des Beschäftigten kennt oder es einem letztlich gleichgültig ist – auf eine konkrete Verleitungsabsicht kommt es also nicht an. Nicht entscheidend soll auch sein, ob der Mitarbeiter den ersten Schritt gemacht hat oder ob er schon vorher mehr oder minder zum Vertragsbruch neigte.

Vertragsbruch bedeutet, dass der Beschäftigte eine wesentliche Vertragspflicht verletzt, also maßgeblich gegen seine Leistungspflicht oder z.B. gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verstößt. Wenn einem das Kunststück gelingt, nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer durch sein Verhalten eine fristlose Kündigung provoziert hat, nur um schnell den Arbeitgeber wechseln zu können, kann dies dem bisherigen Arbeitgeber Ansprüche gegen den mitwissenden Konkurrenten bescheren. 

Ganz im Vertrauen

Nicht ganz unberechtigt erscheint die Angst des Arbeitgebers, dass ein scheidender Mitarbeiter auf dem Weg zur Konkurrenz noch ein paar Kollegen mitzieht; nicht selten wird der Arbeitgeber hier wegen fehlendem Vertrauen eine Freistellung aussprechen. Der Mitbewerber haftet für die interne Abwerbeaktion jedoch nur, wenn noch besondere unlautere Umstände hinzukommen. Dazu genügt wieder das oben beschrieben Verleiten, aber auch ein planvolles Vorgehen, mit dem der Konkurrent bei der Erbringung seiner Leistung am Markt in unangemessener Weise behindert werden soll. In der Rechtsprechung spricht man hier auch gerne von einem „putsch- oder handstreichartigen“ Vorgehen, was zum „War of Talents“ wie die Faust aufs Auge passt.

Diskutieren kann man, ob nicht auch zwischen Unternehmen ein Vertrauensverhältnis bestehen könnte, demnach es per se wettbewerbswidrig ist, dem Vertragspartner die maßgeblichen Beschäftigten wegzunehmen. Die Latte der Unlauterkeit muss in solchen Konstellationen allerdings sehr hoch gesetzt werden, um nicht den Grundsatz des freien Wettbewerbs um die besten Mitarbeiter auszuhöhlen und zu entwerten.

Jetzt wird`s kriminell

Unter Umständen können Abwerbeaktionen auch ein Fall für den Staatsanwalt werden, insbesondere bei einem sehr strategischen Vorgehen eines Konkurrenten. So kann die Nutzung von Mitarbeiterlisten, die wechselwillige Beschäftigte mitgehen lassen und z.B. private Kontaktdaten beinhalten, Ansprüche und Verantwortlichkeiten nach §§ 4, 23 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) auslösen. Auch eine Beteiligung oder gar Mittäterschaft an einer strafbaren Untreue nach § 266 StGB zulasten des ehemaligen Arbeitgebers kommt in Betracht: „Human Capital“ ist ein Vermögenswert, der in der Regel mit einer Treuepflicht von leitenden Angestellten korrespondiert.

Schlussbetrachtung

Als Fazit kann man festhalten, dass man sich vorsehen sollte, zu forsch auf Mitarbeiterfang zu gehen, da man der Konkurrenz ansonsten Anlass für anwaltliche Abmahnungen und Wettbewerbsprozesse bietet. Übrigens: Wenn ein Mitarbeiter rechtswidrig vom Konkurrenten abgeworben wurde und der Gang zum Anwalt keine befriedigende Lösung darstellt, können im gewissen Rahmen auch Maßnahmen zur Rückgewinnung getroffen werden, die ansonsten unlauter wären. Mafiöses Vorgehen wie im Film der Pate ist derweil nie zu empfehlen – kommen Sie vorher lieber zu uns und lassen Sie sich zum Thema beraten!

Verjährung – Verfall – Übertragung: Worauf haben Arbeitgeber bei Urlaubsansprüchen zu achten

Das Urlaubsrecht wurde in den letzten Jahren durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stark verändert und verkompliziert. Dieser Beitrag soll Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Punkte zum Umgang mit Urlaubsansprüchen geben und aufzeigen, was Arbeitgeber zu beachten haben.

1. Verfall von Urlaubsansansprüchen

Bereits am 06.11.2019 hat der EuGH (Az.: C-684/16) die Regelungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen grundlegend verändert. Bis zu diesem Urteil wurde angenommen, dass Urlaubsansprüche mit dem Ende des Urlaubsjahres, spätestens zum 31.03. des Folgejahres verfallen, wenn der Arbeitnehmer sie nicht in Anspruch genommen hat. 

a) Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers
Der EuGH hat in seiner Entscheidung festgelegt, dass Urlaubsansprüche nur verfallen, wenn Arbeitgeber die Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt haben, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen und die Arbeitnehmer diesen aus freien Stücken nicht genommen haben. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, die Arbeitnehmer über ihren konkreten Urlaubsanspruch zu belehren, wenn sie verhindern wollen, dass die Arbeitnehmer Urlaubsansprüche anhäufen.

Arbeitgeber haben ihre Arbeitnehmer daher aufzufordern, ihren Urlaub zu nehmen und ihnen klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder eines Übertragungszeitraumes verfällt, wenn sie ihn nicht beantragen. Es soll genügen, wenn der Arbeitgeber zu Jahresbeginn in Textform mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr zustehen und auffordert, den Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er im laufenden Urlaubsjahr genommen werden kann. Zugleich hat der Arbeitgeber über die Konsequenzen zu belehren, die eintreten, wenn die Arbeitnehmer ihren Urlaub nicht nehmen (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16). 

b) Zusatzurlaub schwerbehinderter ArbeitnehmerIn einem Urteil vom 26.04.2022 hat das BAG (Az.: 9 AZR 367/21) klargestellt, dass die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers durch den Hinweis auf den Verfall und die rechtzeitige Urlaubsnahme auch für Zusatzurlaub von schwerbehinderten Menschen gilt. Sofern der Arbeitgeber aber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers hat und diese auch nicht offenkundig ist, verfällt der Zusatzurlaub nach den gesetzlichen Regelungen, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entsprechend belehrt hat. In den Fällen des Verfalls von Zusatzurlaub sind jedoch Besonderheiten zu beachten, wenn etwa ein Antrag auf Schwerbehinderung abgelehnt wurde und der Arbeitnehmer hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Bei Fragen kommen Sie daher gerne auf Frau Rechtsanwältin Jane Hohmann zu. 


c) Langzeiterkrankte ArbeitnehmerLange war umstritten, ob die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers auch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern gewahrt werden muss, obwohl diese nicht in der Lage sind, ihren Urlaub in Anspruch zu nehmen. Der EuGH (Urteil vom 22.09.2022 – C-518/20, C-727/20) verlangt auch in diesen Fällen, dass Arbeitgeber die Arbeitnehmer in die Lage versetzen, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Diese Pflicht besteht jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer im jeweiligen Urlaubsjahr gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist.

Hat der Arbeitnehmer im gesamten Urlaubsjahr nicht gearbeitet, ist er nicht über den Urlaubsverfall zu belehren. Der Urlaubsanspruch verfällt dann – auch ohne Belehrung – mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen (BAG, Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 245/19).


2. Verjährung

Auch bei der Verjährung wirken sich die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers aus.

a) Laufendes Arbeitsverhältnis
Im bestehenden Arbeitsverhältnis tritt eine Verjährung des Urlaubsanspruchs nur ein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21). Das BAG hat diese Rechtsprechung im Urteil vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20) fortgeführt und entschieden, dass die Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen erst mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat. 

b) Nach Beendigung des ArbeitsverhältnissesIn einer Entscheidung vom 31.01.2023 (Az.: 9 AZR 456/20) hat das BAG zum Beginn der Verjährungsfrist von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei einem beendeten Arbeitsverhältnis Stellung genommen. Die Verjährungsfrist von Urlaubsabgeltungsansprüchen beginnt danach solange nicht, wie eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist.

In dem Urteil ging es um Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers aus den Jahren von 2010 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Oktober 2015. Das BAG hat hinsichtlich der Verjährung der Urlaubsabgeltungsansprüche zwischen Urlaubsabgeltungsansprüchen von 2010 bis 2014 und denjenigen aus 2015 unterschieden. Für 2015 sind nach Ansicht des BAG die Urlaubsabgeltungsansprüche verjährt, weil es für den Arbeitnehmer erkennbar war, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche aus diesem Jahr abzugelten sind. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BAG war es aber für den Kläger hinsichtlich der Jahre 2010 bis 2014 nicht ersichtlich, dass noch Urlaubsabgeltungsansprüche bestehen, da er von einem Verfall ausgehen musste. Hinsichtlich dieser Urlaubsabgeltungsansprüche war der Kläger daher erst nach der Rechtsprechung des EuGH gehalten, die Abgeltung für Urlaubsansprüche aus 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Die Urteilsgründe sind bisher noch nicht veröffentlicht. Es bleibt daher abzuwarten, ob das BAG ggfs. sogar eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen vorsieht. Die weitere Entwicklung behalten wir für Sie im Blick und informieren Sie unmittelbar.

Das BAG hat in zwei Urteilen aus dem Jahr 2022 (Az.: 9 AZR 461/21 und 9 AZR 341/21) zudem bestätigt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch aufgrund einer wirksamen Ausschlussfrist entfallen kann. Es ist daher zu empfehlen, die Arbeitsverträge und die darin enthaltenen Ausschlussfristen zu prüfen und ggfs. anzupassen. 

3. Fazit

Es ist Arbeitgebern anzuraten, entsprechende Hinweisschreiben an die Arbeitnehmer zu verteilen, um den Verfall von Urlaubsansprüchen oder eine Verjährung zu erreichen. Der Hinweis sollte zu Beginn eines jeden Jahres an die Mitarbeiter erfolgen, um auch Mitarbeiter zu erfassen, bei denen ggfs. im Laufe des Jahres eine Erwerbsminderung festgestellt wird. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Arbeitsrechtsexperten Frau Jane Hohmann, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Frau Vivien Demuth, Rechtsanwältin.