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Änderungen zu Jahreswechsel 2022/2023 im Arbeitsrecht

Pünktlich zum Jahreswechsel sind zahlreiche Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Wir geben Ihnen nachfolgend einen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen im Arbeitsrecht, die für Ihre tägliche Praxis wichtig sind.

1. Begründungspflicht bei Ablehnung von Anträgen auf Teilzeit in der Elternzeit sowie Pflege- und Familienpflegezeit in kleineren Betrieben

Arbeitnehmer aus Betrieben mit weniger als 16 Arbeitnehmern haben keinen Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nach § 15 Abs. 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit ist für sie daher nur über eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitgeber möglich. Bislang bestand bei einer Ablehnung einer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 5 BEEG für den Arbeitgeber keine Begründungspflicht, wenn der Schwellenwert von mindestens 16 Arbeitnehmern nicht erreicht wurde. Arbeitgeber konnten den Antrag auf Elternzeit in diesen Kleinbetrieben somit ohne Angabe von Gründen ablehnen.

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie wurde diese Regelung angepasst. Seit dem 24.12.2022 können nunmehr auch Arbeitgeber aus Betrieben mit weniger als 16 Arbeitnehmern einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nur innerhalb einer Frist von 4 Wochen mit einer Begründung ablehnen. Eine Sanktion bei Verpassen dieser Frist ist im Gesetz aber nicht vorgesehen.

Tipp: Setzen Sie im Falle von Teilzeitanträgen während der Elternzeit eine Wiedervorlage zur Fristeinhaltung und begründen Sie Ablehnungen von Anträgen entsprechend.

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Vereinbarkeitsrichtlinie wurde auch für Betriebe mit bis zu 15 Beschäftigten ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz und in Betrieben mit bis zu 25 Beschäftigten ein solcher nach dem Familienpflegezeitgesetz geregelt. Einen Anspruch auf Familien- oder Pflegezeit selbst gibt es aber weiterhin nicht; die Mitarbeiter können lediglich einen Antrag stellen, über den der Arbeitgeber entsprechend entscheiden muss. Auch hierbei ist eine Ablehnung nur noch innerhalb von 4 Wochen mit einer Begründung möglich.

2. Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Seit dem 01.01.2023 ist die Pflicht zur Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfallen. Der Arzt übermittelt die Krankheitsdaten nunmehr auf elektronischem Weg direkt an die jeweilige Krankenkasse. Der Arbeitgeber kann dann die aus diesen Daten generierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse abrufen. Welche Pflichten die Arbeitnehmer im Krankheitsfall weiterhin haben und welche Folgen sich hieraus für Arbeitgeber ergeben, lesen Sie in unserem weiteren Newsletterartikel „Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Eine Erleichterung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?“. (siehe Artikel von Rechtsanwältin Vivien Demuth weiter unten)

3. Möglichkeit der virtuellen Betriebsversammlung

Die Sonderregelung aus § 129 Betriebsverfassungsgesetz zur Ermöglichung von virtuellen Betriebsversammlungen sowie Jugend- und Auszubildendenversammlungen wurde bereits am 17.09.2022 bis zum 07.04.2023 verlängert. 

4. Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld

Die befristeten Sonderregelungen für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld wurden nochmals bis zum 30.06.2023 verlängert. Leiharbeitnehmer können daher weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen. Zusätzlich wird auch lediglich verlangt, dass mindestens 10 Prozent der Belegschaft eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen, statt einer Anzahl von mindestens einem Drittel. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden (Minusstunden) vor der Gewährung von Kurzarbeitergeld wird vollständig verzichtet. 

5. Die Anhebung der Midijob-Grenze

Mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wurde auch die Grenze für Minijobs von 450,00 € auf 520,00 € erhöht. Zugleich wurde bereits im Oktober 2022 die Grenze für sog. Midijobs auf 1.600,00 € angehoben. Zum 01.01.2023 wurde diese Grenze als Teil des Entlastungspakets nunmehr nochmals auf 2.000,00 € angehoben.

Als Midijobs werden Beschäftigungsverhältnisse bezeichnet, bei denen der Arbeitnehmer zwischen 520,01 € bis zu 2.000,00 € verdient. Im Rahmen eines Midijobs besteht zwar eine Sozialversicherungspflicht, sodass die Arbeitnehmer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen. Die zu entrichtenden Beiträge sind jedoch stark reduziert. 

6. Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen

Im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen haben Arbeitgeber bei Aufforderung durch den Arbeitnehmer oder die Agentur für Arbeit eine Arbeitsbescheinigung auszustellen. Der Arbeitnehmer konnte bislang entscheiden, ob er mit einer elektronischen Übermittlung an die Agentur für Arbeit einverstanden ist. Dieses Wahlrecht ist nunmehr weggefallen. Seit dem 01.01.2023 ist nur noch eine rein digitale Übermittlung von Arbeitsbescheinigungen möglich und die Nutzung des digitalen Verfahrens für Arbeitgeber verpflichtend. Die ausgeschiedenen Mitarbeiter erhalten nach der elektronischen Übermittlung an die Agentur für Arbeit einen Nachweis der übermittelten Daten.

Da gesetzlich keine Übergangsfrist vorgesehen ist, sollten Arbeitgeber die Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung prüfen, um weiterhin Arbeitsbescheinigungen entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung übermitteln zu können. Auf der Homepage der Agentur für Arbeit können Arbeitgeber testen, ob ihre Lohnabrechnungssoftware die zertifizierte, elektronische Übermittlung der Bescheinigungen unterstützt. Alternativ können sie die Ausfüllhilfe sv.net nutzen. 

7. Fünfte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung haben Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf ein als Lohnuntergrenze festgesetztes Mindeststundenentgelt. Die dazu geltende Vierte Verordnung über eine Lohnuntergrenze ist am 31.12.2022 außer Kraft getreten und wurde zum 01.01.2023 durch die Fünfte Verordnung abgelöst. Sie ist befristet bis zum 31.03.2024.

Die Lohnuntergrenze für Leiharbeitnehmer liegt damit bei einem Mindeststundenentgelt:

  • vom 01.01.2023 bis zum 31.03.2023 bei 12,43 € brutto,
  • vom 01.04.2023 bis zum 31.12.2023 bei 13,00 € brutto,
  • vom 01.01.2024 bis zum 31.03.2024 bei 13,50 € brutto.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Arbeitsrechtsexperten Frau Jane Hohmann, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Frau Vivien Demuth, Rechtsanwältin.

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Eine Erleichterung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Seit dem 01.01.2023 sind – nach einigen Verzögerungen – neue gesetzliche Regelungen zu den Nachweispflichten der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit in Kraft getreten. Nunmehr werden nicht mehr alle Arbeitnehmer dazu verpflichtet, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) für den Arbeitgeber vom behandelnden Arzt ausstellen zu lassen und dem Arbeitgeber vorzulegen. Sinn und Zweck der neuen gesetzlichen Regelungen ist es, eine Erleichterung sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber zu erreichen. Jedoch ist die Gesetzesneuerung mit wesentlichen Unsicherheiten auf allen Seiten verbunden.

Bisherige Rechtslage

Bis einschließlich Dezember 2022 hatten Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) die gesetzliche Pflicht, sich eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer ausstellen zu lassen sowie spätestens am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit die Bescheinigung dem Arbeitgeber vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauerte. Der Arbeitgeber war dazu berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch schon früher zu verlangen.

Neue Gesetzeslage

Nunmehr sind Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind gemäß § 5 Abs. 1a EFZG nicht mehr dazu verpflichtet, sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung in Papierform für den Arbeitgeber vom Arzt ausstellen zu lassen. Der behandelnde Arzt übermittelt die Daten nunmehr direkt auf elektronischem Weg an die jeweilige Krankenkasse. Der Arbeitgeber muss die Daten dann bei der Krankenkasse abrufen.

Dem gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer obliegt aber dennoch die Pflicht, zu den in § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 EGFZG genannten Zeitpunkten (wie unter anderem einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als 3 Tage andauert) sich seine Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer ärztlich feststellen zu lassen und sich vom Arzt eine AU-Bescheinigung in Papierform (Exemplar für den Versicherten) aushändigen zu lassen. Auf der AU-Bescheinigung (Exemplar für den Versicherten) sind Daten, wie u.a. der behandelnde Arzt und der ICD-Diagnoseschlüssel genannt. Der Arbeitgeber soll über diese Angaben allerdings keine Kenntnisse erlangen, sodass die Vorlage einer solchen AU-Bescheinigung (Exemplar für den Versicherten) nicht vom gesetzlich versicherten Arbeitnehmer verlangt werden sollte.

Ausnahmeregelungen

Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind oder von einem Arzt behandelt werden, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt sowie Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben (§ 8a SGB IV) müssen weiterhin ihrem Arbeitgeber eine AU-Bescheinigung in Papierform (Ausfertigung für den Arbeitgeber) vorlegen. Weitere Ausnahmeregelungen ergeben sich gemäß § 5 Abs. 2 EFZG für Arbeitnehmer, die sich zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland aufhalten.

Pflicht zur unvertüglichen Anzeige

Die Arbeitnehmer sind dennoch weiterhin gesetzlich dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch bei einer Fortsetzungserkrankung über den angegebenen Zeitraum hinaus.

Auswirkungen auf arbeitsvertragliche Klauseln

Enthalten Ihre Arbeitsverträge, die vor dem Jahr 2023 geschlossen wurden, Klauseln, die dem Arbeitnehmer die Pflicht zur Vorlage einer AU-Bescheinigung in Papierform (Exemplar für den Arbeitgeber) auferlegen, so entfalten diese Regelungen diesbezüglich keine Wirkung mehr. Die o.g. gesetzlichen Ausnahmefälle sind hiervon ausgenommen.

Sollte Ihrerseits Beratungsbedarf bestehen, ob es dennoch zulässig ist, allen Arbeitnehmern weiterhin die Pflicht aufzuerlegen, eine AU-Bescheinigung (Exemplar für den Arbeitgeber) in Papierform vorzulegen bzw. wünschen Sie eine Anpassung Ihrer Arbeitsverträge auf die aktuelle Rechtslage, dann nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.

Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Aspekte, die bei der Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung zu beachten sind, möchten wir nochmals auf den bereits im Oktober 2022 von Cansu Muti erschienen Artikel „Die elektronische Arbeitsunfähgkeitsbescheinigung (eAU) – was ist datenschutzrechtlich zu beachten“ hinweisen.

Fazit

Die gesetzlichen Änderungen zu den Nachweispflichten der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit sind bei vielen derzeit noch mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Sofern allerdings die Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber konkret über die gesetzlichen Neuerungen sowie die weiterhin für sie bestehenden Pflichten informiert werden und sich auch die gesetzlichen Krankenkassen auf die technische Umsetzung der Neuerung vollständig eingestellt haben, wird die elektronische AU-Bescheinigung zu einer wesentlichen Erleichterung zumindest für Arbeitnehmer führen.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Arbeitsrechtsexperten Frau Rechtsanwältin Vivien Demuth und Frau Rechtsanwältin Jane Hohmann, Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Google Analytics im Visier der Datenschutzbehörden

Google Analytics ist ein beliebtes Analysetool, mit dem Webseitenbetreiber wertvolle Daten über das Verhalten der User erheben und analysieren können. Nun gerät der Dienst vermehrt ins Visier der Datenschutzbehörden. Und die Entscheidungen der Datenschutzbehörden lassen erahnen, dass der weitere Einsatz von Google Analytics im Hinblick auf die Einhaltung der Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung riskant ist.

Warum gibt es jetzt Entscheidungen zur Datenschutzkonformität von Google Analytics?

Das von Max Schrems mitbegründete „NOYB – Europäisches Zentrum für digitale Rechte“ reichte nach dem als „Schrems II“ bekannten Urteil des Europäischen Gerichtshofs insgesamt 101 Datenschutzbeschwerden gegen Unternehmen ein, die über ihre Webseiten personenbezogene Daten an Dienstleister in den USA (allen voran Google und Meta) übermitteln. Nun liegen die ersten Entscheidungen von Datenschutzbehörden vor.

Wie entscheiden die Datenschutzbehörden?

Die Entscheidungen der Datenschutzbehörden fallen überraschenderweise unterschiedlich aus. Die Behörden in Luxemburg und Spanien stellten die Verfahren ein, ohne sich mit der Frage der (un)rechtmäßigen Verwendung von Google Analytics zu beschäftigten. In diesen Verfahren gaben die Unternehmen jeweils an, Google Analytics nicht weiter zu verwenden.

Anders sehen es die Behörden in Frankreich und in Österreich. Beide Behörden setzten sich dezidiert mit der Frage auseinander, ob im konkreten Fall eine zulässige Datenverarbeitung vorlag. Die Behörden kamen in diesen Fällen jeweils zum Ergebnis, dass eine Datenweitergabe an Google nicht mit den Vorschriften der DSGVO und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs vereinbar sei. Insbesondere bestehe kein wirksamer und effektiver Rechtschutz vor der Offenlegung der mittels Google Analytics generierten Daten an Sicherheitsbehörden und Geheimdienste. Die beiden Datenschutzbehörden kamen daher zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Google Analytics unzulässig sei.

Google selbst gibt an, dass das Unternehmen bislang keine Auskunftsersuchen von US-Sicherheitsbehörden zu den mittels Google Analytics generierten Daten erreicht hat. Insbesondere die österreichische Datenschutzbehörde hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Datenschutz-Grundverordnung keinen risikobasierten Ansatz für eine Übermittlung von personenbezogenen Daten in ein Drittland kennt. Nach Ansicht der österreichischen Behörde müsse außen vor bleiben, dass sich das Risiko wohl nur in der Theorie und nicht in der Praxis realisiere.

Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass derzeit noch keine Datenschutzbehörde ein Bußgeld gegen einen Beschwerdegegner verhängt hat.

Wie wirken sich die Entscheidungen aus Frankreich und Österreich auf Deutschland aus?

Uns ist derzeit noch keine Entscheidung einer deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörde bekannt. Allerdings erwarten wir, dass auch die deutschen Behörden sich den Ausführungen der französischen und österreichischen Pendants anschließen.

Die Entscheidungen der Datenschutzaufsichten sind jedoch nicht ohne Weiteres auf jede Konstellation bei der Nutzung von Google Analytics übertragbar, da die Behörden immer nur den konkreten Fall des Einsatzes von Google Analytics beurteilen. Allerdings lassen sich aus den Entscheidungen bereits einige Grundsätze für den Einsatz von Google Analytics ableiten.

Inwieweit die bereits betroffenen Unternehmen gegen die sie betreffenden Bescheide gerichtlich vorgehen, ist derzeit unbekannt. Wir erwarten jedoch, dass im Laufe der kommenden Monate erste Gerichtsurteile bekannt werden. Wie lange es dann dauert, bis eine obergerichtliche Entscheidung vorliegt, ist allerdings eine Frage für die Glaskugel.

Und was nun?

Aus unserer Sicht bestehen zumindest Bedenken im Hinblick auf die Einschätzung der Behörden, dass ein theoretisches Risiko ausreiche, um eine Datenübermittlung als unzulässig einzustufen. Sinn und Zweck der Vorschriften ist es schließlich, den Menschen vor etwaigen Risiken beim Umgang mit personenbezogenen Daten zu schützen bzw. zu bewahren.

Im speziellen Fall Google Analytics scheinen die Risiken einen rein theoretischen Charakter aufzuweisen. Insofern warten wir gespannt auf gerichtliche Entscheidungen, ob ein solches theoretisches Risiko als ausreichend erachtet wird, um eine Datenverarbeitung als unzulässig einzustufen. Aus unserer Sicht vorzugswürdig erscheint es, wenn dies nur der Fall wäre, wenn sich ein Risiko zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch in der Praxis realisiert.

Bis zu einer (ober)gerichtlichen Klärung wird die (Weiter-)Nutzung von Google Analytics rechtlich riskant bleiben. Da die Behörden derzeit noch keine Bußgelder zu verhängen scheinen, dürfte allen voran zunächst eine behördliche Untersagung der Weiternutzung drohen. Dies böte aber zumindest die Chance einer gerichtlichen Überprüfung und somit einer Klärung der rechtlichen Situation.


Autor: Fabian Dechent (Rechtsanwalt)

Der Europäische Gerichtshof äußert sich zur Arbeitnehmerüberlassung

Seit Jahrzehnten ist es in Deutschland umstritten, über welchen Zeitraum hinweg ein Leiharbeitnehmer bei dem entleihenden Unternehmen eingesetzt werden darf, ohne, dass zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis entsteht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gibt in seiner Entscheidung vom 17.03.2022 Az.: C-232/20 weitere Auslegungshinweise zu dem Begriff „vorübergehend“. Nach dem EuGH kann es unter Umständen rechtens sein, einen Leiharbeiter über Jahre hinweg an einem Arbeitsplatz zu beschäftigen. 

Der Fall

Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus Deutschland. Der Kläger war als Leiharbeiter seit dem 01.09.2014 für insgesamt 55 Monate bei einem beklagten Leiharbeitsunternehmen im Bereich Motorenfertigung tätig. In dem Betrieb der Beklagten fand der Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg Anwendung. Der Tarifvertrag als auch die bei der Beklagten geltende Gesamtbetriebsvereinbarung legte eine maximale Überlassungsdauer von 36 Monaten fest. Die in Rede stehende Beschäftigung diente nicht der Vertretung eines Arbeitnehmers.

Der Leiharbeitnehmer erhob Klage vor den nationalen Arbeitsgerichten und beantragte festzustellen, dass aufgrund der Überschreitung der maximalen Arbeitnehmerüberlassungsdauer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem entleihenden Unternehmen besteht und die Überlassungsdauer von 55 Monaten somit nicht mehr als „vorübergehend“ eingestuft werden könne.

Vorlage mehrerer Fragen des LAG Berlin-Brandenburg an den EuGH

Da der Begriff „vorübergehend“ anhand der in der europäischen Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG vom 19.11.2008 enthaltenen Vorgaben auszulegen war, legte das LAG Berlin-Brandenburg dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen u.a. folgende Fragen vor:

Ist eine Überlassung eines Leiharbeiters nicht mehr als „vorübergehend“ gemäß Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104 anzusehen, wenn er auf einem dauerhaft vorhandenen Arbeitsplatz beschäftigt wird, der auch nicht vertretungsweise besetzt wird?

Kann eine Gesamtüberlassungsdauer von 55 Monaten noch als „vorübergehend“ gewertet werden?

Kann die Ausdehnung der individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden? Falls dies bejaht wird: Gilt dies auch für Tarifvertragsparteien, die nicht für das Arbeitsverhältnis des betroffenen Leiharbeitnehmers, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind?

Bisherige Rechtslage

Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung sind in dem sog. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Das AÜG wurde im Jahr 2017 reformiert. Vor dem 01.04.2017 enthielt das AÜG lediglich das Erfordernis, dass eine Überlassung „vorübergehend“ erfolgen soll. Eine Höchstdauer wurde nicht gesetzlich normiert. Weiterhin wurden Verstöße gegen das Merkmal „vorübergehend“ nicht sanktioniert. Seit dem 01.04.2017 ist nunmehr gemäß § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1 b) S. 1 AÜG die Überlassung von Arbeitnehmern bis zu einer Höchstdauer von maximal 18 Monaten zulässig. Nach § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG kann die nach S. 1 gesetzlich normierte maximale Überlassungsdauer von 18 Monaten, wie in vielen Branchen üblich, durch Tarifvertrag des Entleihers ausgedehnt werden. Wird die in dem AÜG gesetzlich geregelte Überlassungshöchstdauer überschritten und nichts anderes tariflich geregelt, so sind die Arbeitsverträge zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG unwirksam. Im Falle der Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG. Es entsteht damit zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden nunmehr bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1 b AÜG nicht berücksichtigt. Nach wie vor besteht allerdings Uneinigkeit darüber, wann eine Arbeitnehmerüberlassung noch als „vorübergehend“ gewertet werden kann.

Die Begründung des EuGH zu den Vorlagefragen des LAG

Nach Ansicht des EuGH ist von einer „vorübergehenden“ Überlassung gemäß Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104 auszugehen, wenn der Leiharbeitnehmer auf einem dauerhaft vorhandenen Arbeitsplatz beschäftigt wird, der auch nicht vertretungsweise besetzt wird. Anderweitiges gebe bereits der Wortlaut der Leiharbeitsrichtlinie nicht her. Der Begriff „vorübergehend“ beziehe sich ausschließlich auf die Dauer des Einsatzes eines Leiharbeiters und nicht auf den Arbeitsplatz selbst. Demnach ist es zulässig, einen Leiharbeiter auf einem Dauerarbeitsplatz bei einem Kunden zu beschäftigen, auch wenn der Arbeitsplatz nicht vertretungsweise besetzt wird.

Die Frage, ob eine Gesamtüberlassungsdauer von 55 Monaten noch als „vorübergehend“ gewertet werden kann, lässt der EuGH jedoch offen. Allerdings wurde seitens des EuGH darauf hingewiesen, dass der jahrelange Einsatz eines Leiharbeiters auf demselben Arbeitsplatz durchaus rechtsmissbräuchlich sein kann. Werde ein Leiharbeitnehmer bei demselben Unternehmen auf demselben Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum eingesetzt, ohne, dass es eine objektive Erklärung für den Abschluss von mehreren nacheinander folgenden Überlassungsverträgen gibt, so sei von einer missbräuchlichen Überlassung auszugehen. Allerdings müssen hierbei weitere Umstände, wie beispielsweise Besonderheiten in der Branche und die nationalen Vorgaben berücksichtigt werden. Der EuGH überlässt die Beurteilung im konkreten Einzelfall somit den nationalen Gerichten. Damit liefert der EuGH in seiner Entscheidung keine vollständige Klarheit über den Begriff „vorübergehend“, sondern überlässt dies den nationalen Gerichten.

Weiterhin stellte der EuGH zumindest klar, dass Regelungen in Tarifverträgen, die Einsatzzeiten von mehr als 18 Monaten regeln, nicht per se einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellen. Dies sei auch dann zulässig, wenn die Tarifverträge für die Branche des Entleiherunternehmens geschlossen werden. 

Fazit

Das Urteil des EuGH schafft keine Klarheit über die Auslegung des Begriffs „vorübergehend“, sondern beinhaltet lediglich Auslegungshinweise. Zulässig bleibt die Verlängerung von Leiharbeitsverträgen über einen längeren Zeitraum hinweg, auch, wenn es sich um einen Dauerarbeitsplatz handelt, der nicht nur vertretungsweise besetzt wird. Hinsichtlich der Frage zur Festlegung absoluter zeitlicher Höchstgrenzen für die Überlassung eines Leiharbeiters bei dem Entleiher spielt der EuGH den Ball jedoch den nationalen Gerichten zu. Daher müssen die deutschen Gerichte nach wie vor entscheiden, ob die Überlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 AÜG noch als vorübergehend einzustufen ist, wenn ein Leiharbeitnehmer aufgrund eines Tarifvertrages länger als 18 Monate bei einem Entleiher eingesetzt wird.


Autorin: Vivien Demuth (Rechtsanwältin)

Neue Verordnung zum Geoblocking

Mit der Verordnung (EU 2018/302) hat das Europäische Parlament Regelungen zum Verbot der Beschränkung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden getroffen.

Was ist Geoblocking?

Beim Geoblocking verwehrt ein Anbieter einem Kunden, der aus einem anderen Mitgliedstaat der EU stammt und grenzüberschreitende Geschäfte tätigen möchte, den Zugang zur Online-Benutzeroberfläche, wie zum Beispiel einer Internetseite.

Somit ist jede Form die den Kunden auf Grund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung beschränkt, als Geoblocking zu sehen.

Was muss man beachten?

Mit der Verordnung wird es den Betreibern von Online-Shops untersagt, den Kunden auf Grund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes seiner Niederlassung durch technische Mittel (oder auf anderem Wege) zu sperren oder zu beschränken. Konkret bedeutet dies, dass der Anbieter den Kunden nicht Anhand der IP-Adresse, GPS Daten oder anderen den Ort (= geografische Lage) bestimmenden Parametern einschränken darf.

So muss der Anbieter, der einen Kunden auf eine andere Länderseite oder mobile Anwendung umleiten will, welche sich von der unterscheidet (z.B. durch Sprache oder Layout) auf die der Kunde ursprünglich zugreifen wollte, dessen Zustimmung einholen und ihm die Möglichkeit einräumen, wieder auf die Ursprungsseite zurückzugelangen.

Außerdem wird es dem Online-Händler untersagt, bei Kunden aus den oben genannten Gründen für unterschiedliche Regionen unterschiedliche allgemeine Geschäftsbedingungen anzuwenden. Jedem Kunden müssen die gleichen Möglichkeiten zustehen.

Das Gleiche gilt für die vom Anbieter akzeptierten Zahlungsmethoden.  Der Anbieter kann nicht auf Grund des Standortes des Zahlungskontos, des Ortes der Niederlassung des Zahlungsdienstleisters oder des Ausstellungsorts des Zahlungsinstruments innerhalb der EU unterschiedliche Bedingungen für Zahlungsvorgänge anwenden.

Die EU-Kommission stellt auf ihrer Homepage eine weitreichende Information zur Geoblocking-Verordnung zu Verfügung, in der anhand konkreter Beispiele die einzelnen Artikel genauer erläutert werden.

Was passiert bei Nicht-Beachtung?

Gemäß §126 Telekommunikationsgesetz (TKG) kann die Bundesnetzagentur bei Verstößen eine Stellungnahme und Abhilfe fordern. Hierbei kann ein Zwangsgeld von bis zu 500.000€ festgesetzt werden.  Ebenfalls kann ein Bußgeld von bis zu 300.000€ verhängt werden, §149 Abs. 2 Nr. 2 TKG.

Bei Verstößen wird neben dem TKG auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Anwendung finden. Verstöße fallen unter die §§ 3 und 3a des UWG. Somit können Verantwortliche auf Unterlassen und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Wie Digitalisierung das Kartellrecht beeinflusst

Die Digitalisierung bringt immer neue Geschäftsmodelle hervor. Viele digitale Plattformen stellen ihr Angebot entgeltfrei zur Verfügung, Daten und der Handel mit ihnen werden immer relevanter. Welche Auswirkungen hat das auf das Kartellrecht und für Unternehmen?

Mit diesen und anderen Fragen setzt sich ein Aufsatz von Rechtsanwalt Sebastian Telle auseinander, erschienen in der Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht. Im Folgenden werden die grundlegenden Probleme der aktuellen Entwicklungen aufgezeigt.

Daten als neue Währung?

Immer wieder wird davon gesprochen, dass es sich bei Daten um eine neue Währung handelt. Insbesondere bei entgeltfreien Plattformen, wie bspw. sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten, herrscht oft die Meinung vor, dass Nutzer diese Dienste mit ihren Daten bezahlen würden. In vielen Fällen nutzen kostenlos angebotene Dienste die Nutzerdaten, bspw. für personalisierte Werbemaßnahmen. Wie also sollen solche Geschäftsmodelle kartell- und wettbewerbsrechtlich bewertet werden?

Sebastian Telle gibt hierzu einen lesenswerten Überblick. Für die kartellrechtliche Definition bestimmter Sachverhalte sind eine Marktdefinition und eine Marktabgrenzung erforderlich. Neben den schon erwähnten verwendeten Nutzerdaten bei entgeltfreien Plattformen wird teilweise vertreten, dass zu einer solchen Marktdefinition auch die Aufmerksamkeit der Nutzer herangezogen werden kann. Deren Identifikation soll wiederum durch generierte Daten gemessen werden. Letztlich soll die potentielle Entgeltlichkeit des Angebotes zur Begründung eines relevanten Marktverhältnisses ausreichen.

Wie Daten und Marktmacht sich verhalten, wie sich ein eventueller Marktmissbrauch auszeichnet und wie ein Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen aussehen kann wird von Sebastian Telle anschaulich dargelegt. Die Lektüren kann jedem empfohlen werden, für den Datenschutz, Wettbewerbs- und Kartellrecht relevant sind.

Abmahnung wegen fehlendem Link zur EU Online Streitbeilegung

Mit der am 9.1.2016 in Kraft getretenen EU-Verordnung Nr. 524/2013 müssen in der EU niedergelassene Online-Händler auf die Online Streitbeilegung der EU hinweisen. Die Verordnung soll helfen Rechtsstreitigkeiten zwischen Online-Händlern und Verbrauchern außergerichtlich zu lösen.

Im Zuge der Verordnung wurde von der EU-Kommission ein Online-Portal zur außergerichtlichen Streitbeilegung zur Verfügung gestellt. Das Online-Portal soll helfen, Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Online-Händlern außergerichtlich zu klären und bietet die Möglichkeit zur beidseitigen Beschwerde.

LG Bochum betont Pflicht zum Hinweis

In einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Bochum (Urteil v. 31.3.2016 – Az. 14 O 21/16) stellte das Gericht klar, dass Online-Händler Verbraucher zum einen auf die Möglichkeit der Online Streitbeilegung bei Vertragsschluss hinweisen müssen. Zum anderen muss der Online-Händler dem Verbraucher einen leicht zugänglichen Link vorhalten. Dabei ist es unerheblich, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Online-Plattform bereits verfügbar war und Streitbeilegungen über sie erfolgen konnten. Maßgeblich ist ein Vertragsschluss nach dem 9.1.2016, der die entsprechende Pflicht zum Hinweis begründet. Online-Händler sollten daher zwingend entsprechende Hinweise vorhalten und diese leicht zugänglich auf ihrer Webseite veröffentlichen, bspw. im Impressum oder in eventuell online einsehbaren AGB. Diese Regelung trifft jedoch nur zu, wenn die andere Vertragspartei ein Verbraucher i. S. v. § 13 BGB ist. Ein solcher Hinweis ist daher im B2B-Bereich nicht notwendig.

Im vorliegenden Fall mahnte ein Online-Uhrenhändler einen Wettbewerber wegen des fehlenden Hinweises und Links ab. Das LG sah es als unerheblich an, dass zum Zeitpunkt der einstweiligen Verfügung (9.2.2016) die Online-Plattform noch nicht zur Verfügung stand und eine Streitbeilegung in Deutschland zudem noch nicht möglich war. In Deutschland war die Plattform ab dem 15.2.2016 erreichbar.

 

 

Störerhaftung vor dem Aus?

Die Störerhaftung für Betreiber offener WLAN-Zugänge steht seit Jahren in der Kritik. Jetzt liest man die Meldungen, dass sie abgeschafft wird. Steht die Störerhaftung wirklich vor dem Aus?

Störerhaftung in der Kritik

Die Störerhaftung ist schon seit langem Gegenstand netzpolitischer und rechtlicher Auseinandersetzungen. Nach geltendem deutschem Recht haftet der Betreiber eines un- bzw. schlechtgesicherten WLAN für etwaige Rechtsverstöße. Allerdings erfasst die Haftung keinen eventuellen Schadensersatz, sondern die Kosten einer rechtsanwaltlichen Abmahnung. Zusätzlich kann der Betreiber zur Unterlassung verpflichtet werden (BGH, Urteil v. 12.5.2010 – Az. 1 ZR 121/08). Kritiker sind der Auffassung, dass die Störerhaftung digitale Innovationen und den technischen Fortschritt hemme. Dem halten Verteidiger der Störerhaftung entgegen, dass durch sie Rechte und Eigentum Dritter geschützt würden.

Steht die Störerhaftung wirklich vor dem Aus?

Gab es anfangs nur unbestätigte Meldungen über einen neuen Gesetzentwurf, ist das neue Gesetz mittlerweile in Kraft. Anfängliche Berichte des Blog netzpolitik.org, wonach das Büro des netzpolitischen Sprechers der CDU bestätigt haben soll, dass eine Streichung des in einem vorherigen Entwurf vorgesehenen § 8 Abs. 4 Telemediengesetz (TMG) erfolgt, haben sich bestätigt. Der nun wieder gestrichene Absatz sah folgende Regelung vor:

(4) Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter

1. angemessene Sicherungsmaßnahmengegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergriffen hat und 

2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.

Mit dem verabschiedeten Entwurf entfällt zumindest die Pflicht zum passwortgeschützten Zugang und einer Vorschaltseite. Ob ein vollständiger Schutz vor Abmahnungen für WLAN-Betreiber durch diese Gleichstellung erreicht wird, sehen einige Kritiker skeptisch. Grund ist die sog. Goldesel-Entscheidung des BGH, die einen Unterlassungsanspruch und eine Netzsperre erlaubt, wenn Urheberrechte Dritte nicht anders geschützt werden könne. Kritiker fordern deshalb, dass der Haftungsausschluss nach § 8 TMG explizit auch den Unterlassungsanspruch erfassen solle.

Über das Ziel hinaus?

Bei dieser Forderung stellt sich aber die Frage, warum WLAN-Betreiber besser als Access-Provider gestellt werden sollen. Zudem bleibt offen, wie sich Dritte effektiv gegen eine (fortgesetzte) Verletzung ihrer Rechte wehren sollen, wenn ein Unterlassungsanspruch explizit ausgenommen werden soll. Gerade bei einem öffentlichen WLAN dürfte es einem Geschädigten nur schwer möglich sein, eine Verletzung seiner Rechte zu unterbinden. Der Vorschlag einer derart weitgehenden Haftungsprivilegierung erscheint vor diesem Hintergrund als unausgewogen.

Allerdings stellt sich die Frage, ob sich mit dem nun verabschiedeten Gesetz wirklich eine neue Regelung ergibt. Durch die Streichung des im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Abs. 4 besteht weiterhin die Gefahr auf Unterlassung, Beseitigung und ggf. Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden. Kritiker bemängeln deshalb, dass sich im Endergebnis kein neuer Regelungsgehalt ergebe.

BGH verhandelt über Werbung in Autoreply-Mails

Der Bundesgerichtshof verhandelt am 15. Dezember 2015 über die Frage, ob es sich bei der Anpreisung von Angeboten in automatisch versandten Antwortmails (Autoreply-Mails) um unerwünschte Werbung handelt.

Der Fall wird beim BGH unter dem Aktenzeichen VI ZR 134/15 verhandelt. Das AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 25. April 2014 – Az. 10 C 225/14) hatte dem Verbraucher (Kläger) Recht gegeben und das Vorgehen einer Versicherungsgesellschaft (Beklagte) als unerwünschte Werbung und damit als unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG gewertet.

Die Berufungsinstanz, das LG Stuttgart, wies die Klage jedoch ab und deutete an, dass es sich zwar um Werbung handele, diese jedoch unerheblich sei, da der Kläger die Autoreply-Mail in jedem Fall als Bestätigung seiner Mail empfangen müsse (Urteil vom 4. Februar 2015 – Az. 4 S 165/14).

Kläger begehrt Unterlassung und Kostenersatz

Der Kläger verfolgt vor dem BGH sein Begehren auf Unterlassung und Kostenersatz weiter. Eine detaillierte Beschreibung der Ausgangssituation lässt sich der Pressemitteilung des BGH entnehmen.

Das Thema von Werbeinhalten in ansonsten inhaltlich relevanten Emails ist schon länger umstritten. Ist z.B. die Angabe einer Messepräsenz mit Angabe des Messestandes über oder unter der Signatur bereits unerwünschte Werbung? Auch im hier vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, warum eine Werbung in einer Email, die man laut LG Stuttgart sowieso empfangen muss, keine belästigende Werbung sein soll.

Zudem lässt sich hier durchaus die Auffassung vertreten, dass der Verbraucher in einer automatischen Antwort auf seine Mail gerade keine Werbung erwartet – sondern lediglich die Bestätigung, dass man seine Mail erhalten habe. Auf das Urteil des BGH darf man somit gespannt sein.

BGH: Unternehmen müssen Verbraucher auf SCHUFA-Vermeidung hinweisen

Unternehmen müssen in Mahnungen säumige Verbraucher darauf hinweisen, dass das bestreiten der Forderung einen SCHUFA-Eintrag verhindert. Dies entschied der Bundesgerichtshof.

Ein Mobilfunkunternehmen hatte im Auftrag Mahnungen verschicken lassen, in denen säumigen Kunden mitgeteilt wurde, dass ein SCHUFA-Eintrag erfolge, wenn offene Forderungen nicht binnen gesetzter Frist beglichen würden. Das OLG Düsseldorf und der BGH sahen darin die Gefahr, dass auch Kunden die Forderungen begleichen würden, die aufgrund tatsächlicher oder potenzieller Einwendungen die Zahlungen verweigern wollen. Grund sei das Wissen über die Konsequenzen eines negativen SCHUFA-Eintrags.

Auch das Datenschutzrecht erlaubt die sofortige Übermittlung nicht

Die im vorliegenden Fall beanstandete Ankündigung der Übermittlung personenbezogener Daten an die SCHUFA ist auch nicht durch § 28a Abs. 1 Nr. 4 lit. c BDSG gedeckt. Diese Vorschrift erlaubt die Übermittlung personenbezogener Daten an Auskunfteien, wenn die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, die Übermittlung zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle oder eines Dritten erforderlich ist und a) der Betroffene nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist, b) zwischen der ersten Mahnung und der Übermittlung mindestens vier Wochen liegen, c) die verantwortliche Stelle den Betroffenen rechtzeitig vor der Übermittlung der Angaben, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung über die bevorstehende Übermittlung unterrichtet hat und d) der Betroffene die Forderung nicht bestritten hat. Alle vier Bedingungen müssen somit gegeben sein.

Für eine rechtskonforme Übermittlung personenbezogener Daten an eine Auskunftei nach dieser Vorschrift ist laut BGH auch Folgendes erforderlich: der Gläubiger darf dem Schuldner nicht verschleiern, dass ein Bestreiten der Forderung durch den Schuldner einen SCHUFA-Eintrag verhindert.

Im vorliegenden Fall war dies den Schuldner aus den Mahnschreiben nicht ersichtlich. Der BGH wertete daher die Androhung des SCHUFA-Eintrags als unangemessene Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher nach § 4 Nr. 1 UWG.