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Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber keine Personalvermittlungsprovisionen erstatten

BAG Urteil vom 20. Juni 2023 – 1AZR 265/22 –

Ein Arbeitnehmer wurde über einen Personaldienstleister vermittelt. Für diese Vermittlung zahlte der Arbeitgeber eine Provision in Höhe von 4.461,60 €. Weitere 2.230,80 € sollten nach Ablauf einer sechsmonatigen Probezeit fällig werden. In dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen Arbeitsvertrag wurde der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die bezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Datum aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen beendet würde. Darunter fiel auch die Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

Es kam, wie es kommen musste: Der Arbeitnehmer kündigte bereits nach 2 Monaten ordentlich fristgerecht. Der Arbeitgeber verlangte die Provision zurück. Einen Teil von rund 800 € behielt er vom Arbeitsentgelt ein. Den überschießenden Betrag machte der Arbeitgeber gerichtlich gegenüber dem Arbeitnehmer geltend. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung der einbehaltenen 800 € und bekam durch alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (nachfolgend BAG) hin Recht.

Das BAG stellte fest, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel um eine Einmalbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelte. Diese werden nach den Regelungen der §§ 305c Abs. 2, 306, 307 und § 309 BGB wie Allgemeine Geschäftsbedingungen auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin geprüft. Die Rückzahlungsklausel benachteiligte nach Ansicht des BAG den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und war nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer wurde durch die Rückzahlungsklausel in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt gewesen wäre. Der Arbeitgeber muss das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich die von ihm gezahlte Vermittlungsprovision nicht rentierte, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag zulässig nach kürzerer Zeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse des Arbeitnehmers, die Provision auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.

Recht auf Datenkopie – Neues vom EuGH

Noch immer herrscht in vielen Unternehmen so etwas wie Alarmstimmung, wenn Anträge auf Auskunft nach Artikel 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehen. Das gilt besonders bei Auskunftsbegehren von gekündigten Mitarbeitern – oder solchen, die diesen Status anstreben. Der Schrecken liegt dabei weniger in der Aufzählung der Kategorien der verarbeiteten Daten mitsamt der Verarbeitungszwecke, da dies bei einem gepflegten Verarbeitungsverzeichnis keine große Sache sein sollte. Kopfzerbrechen bereitet vielmehr regelmäßig die mit dem Auskunftsersuchen verbundene Forderung nach Kopien der personenbezogenen Daten im Sinne des Artikel 15 Absatz 3 DSGVO. Bei Anträgen von langjährigen Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder Kunden ist schon der Aufwand beim Sammeln der relevanten Dokumente immens. Da E-Mails, Briefe, Protokolle etc. wiederum regelmäßig personenbezogene Daten von Dritten sowie ggf. Geschäftsgeheimnisse beinhalten, wird in der Praxis meistens dann noch viel Zeit investiert, um Wörter und Passagen zu schwärzen. Die Frage ist, ob dieser ganze Aufwand wirklich immer nötig ist.

Das Recht des Betroffenen nach Artikel 15 Absatz 3 DSGVO

Nach Artikel 15 Absatz 3 DSGVO stellt der Verantwortliche „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung“. Form und Frist zu diesem Anhängsel zur Auskunft ergeben sich aus Artikel 12 DSGVO. Ansonsten ist rund um das Recht auf Datenkopie einiges umstritten. Der wesentliche Streit dreht sich darum, was denn eigentlich Kopie in diesem Sinne bedeutet: Müssen ganze Dokumente oder gar Datenbanken zur Verfügung gestellt werden oder genügt es, wenn das konkrete personenbezogene Datum ohne Kontext mitgeteilt wird.

Der Betroffene soll durch die Auskunft des Verantwortlichen die Rechtmäßigkeit der Verarbeitungen überprüfen können. Zu diesem Zweck erzwingt Art. 15 DSGVO eine weitestgehende Transparenz, wozu auch der Einblick in die konkreten Verarbeitungen gehörten soll.

Die Meinung des EuGH…

Der EuGH hat nun in seinem Urteil vom 04.05.2023 (Az. C‑487/21) festgehalten, dass der Betroffene gemäß Art. 15 DSGVO das Recht hat, eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller vorhandenen Daten zu erhalten. Allerdings: Dokumente bzw. Datenbanken ganz oder in Auszügen muss man nur dann in Kopie herausgeben, wenn es unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen. „Kopie“ meint in diesem Zusammenhang nämlich nicht das Dokument an sich, sondern die personenbezogenen Daten, die darin zu finden sind.

…und warum das eine gute Nachricht für Verantwortliche ist

Die verantwortlichen Unternehmen werden darüber nicht auf den ersten Blick jubeln. Schließlich obliegt die Einschätzung dieser Unerlässlichkeit natürlich zunächst dem Verantwortlichen, weil er auf die Anfrage des Betroffenen reagieren muss. Es droht immer noch der Aufwand, bei jedem einzelnen Dokument, in dem ein personenbezogenes Datum des Betroffenen zu lesen ist, prüfen zu müssen, ob die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nur mittels des gesamten oder Teil des Dokuments geprüft werden kann.

Andererseits muss man bedenken, dass Unternehmen nun dazu neigen können, die ganze Sache erheblich zu vereinfachen: Der Betroffene erhält nur eine Darstellung der konkreten personenbezogenen Daten als Kopie, Dokumente dazu werden zunächst gar nicht herausgerückt – möge doch der Betroffene im zweiten Schritt darlegen, warum er den gesamten Kontext für seine Einschätzung der Rechtmäßigkeit braucht. Gerade im Streit mit Arbeitnehmern, die sich im Kündigungsprozess über den Kopieanspruch brisante Informationen besorgen möchten, könnte man dank EuGH den Informationsgehalt der Unterlagen erheblich reduzieren. Das DSGVO-Schwert, das Rechtsanwälte gern vorm Arbeitsgericht schwingen, würde zusehends stumpfer werden.

Betroffene sehen schwarz

Wenig hilfreich erscheint der Tipp des EuGH, dass bei der Auskunftserteilung die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind – das steht so auch schon in Art. 15 Absatz 4 DSGVO. Auch der Hinweis, dass diese Berücksichtigung nicht dazu führen dürfe, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird, steht im Satz 6 des 63. Erwägungsgrunds zur DSGVO. Wann nun geistiges Eigentum, Geschäftsgeheimnisse oder schlicht personenbezogen Daten Dritter dazu führen dürfen, dass Wörter und ganze Passagen in einem Dokument geschwärzt werden, kann man mit diesen Allgemeinplätzen nicht im Einzelfall beantworten.

Andererseits hilft die Festlegung des EuGH in Bezug auf den Kopie-Begriff bei der vorzunehmenden Abwägung: Wenn der Betroffene die personenbezogenen Daten eines Dritten z.B. in einer E-Mail nicht sehen muss, um zu ergründen, ob sein Datum rechtmäßig verarbeitet wird, spricht nichts dagegen, die Daten des Dritten zu schwärzen, da sie gar nicht Teil der Datenkopie sein müssen. Man darf davon ausgehen, dass diese und ähnliche Fragen die Gerichte noch viele Jahre beschäftigen werden.

Sonderfall Patientenakte?

Eine der Fälle, die in Zukunft auch noch vom EuGH entschieden werden müssen, basiert auf dem Vorlagebeschluss des BGH vom 29.08.2022 (Az. VI ZR 1352/20). Da geht es u.a. um die für Ärzte nicht unerhebliche Frage, ob man Patienten für eine Kopie der Patientenakte zur Kasse bitten darf (so ausdrücklich § 630g Absatz 2 Satz 2 BGB) oder ob die Kostenfreiheit aus Artikel 12 Absatz 5 Satz 1 DSGVO vorgeht. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten EuGH-Entscheidung möchte man folgende Antwort orakeln: Da eine Kopie der Daten nicht unbedingt ein ganzes Dokument darstellen muss, müsste der Arzt den Patienten vor die Wahl stellen dürfen: Kopien von Daten aus der Patientenakte mit mehr oder weniger Kontext gibt es kostenlos, eine komplette Aktenkopie gibt es nur gegen Entgelt. Dass der gemeine Bürger bei einer solchen Auswahl verwirrt den Kopf schütteln wird, scheint gewiss – aber so ist es in rechtlichen Dingen leider oft.

Fazit

Unternehmen, die zur Beantwortung von Auskunftsanfragen bereits Prozesse aufgesetzt haben, sollten diese nach den letzten EuGH-Urteilen auf den Prüfstand stellen – die anderen sollten einen solchen Prozess dringend aufsetzen. Zunächst muss man sich fragen, wie unter Berücksichtigung aller geschäftlichen Umstände des Verantwortlichen grundsätzlich mit Forderung nach Kopien umgegangen werden muss: Bei welchen Verarbeitungen von Mitarbeiter- oder Kundendaten liegt es in der Natur der Sache, dass die reinen Daten ohne das sie beinhaltende Dokument nicht ausreichend sein werden? Sodann muss man festlegen, ob man im Rahmen der Bearbeitung eines konkreten Kopiebegehrens eher eine rechtssichere aber dafür aufwändigere Reaktion zeigen möchte, die eben weiter die Übermittlung ganzer Dokumente vorsieht, oder ob dies eher zur Ausnahme gekürt werden soll. Egal, ob es um diese grundlegenden Weichenstellungen oder um die Hilfe bei der konkreten Auskunft geht: Wir von MKM stehen Ihnen immer professionell und kompetent mit Rat und Tat zur Seite.

Geplante Erhöhung des Mindestlohnes ab Januar 2024

Die Mindestlohnkommission hat am 26. Juni 2023 ihren Vorschlag zur erneuten Erhöhung des Mindestlohnes bekannt gegeben. Danach soll der Mindestlohn ab dem 01. Januar 2024 auf 12,41 Euro steigen und zum 01. Januar 2025 nochmals auf 12,82 Euro erhöht werden. Der Vorschlag der Mindestlohnkommission ist nun von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung verbindlich zu machen.

Der Mindestlohn wurde zuletzt zum 01. Oktober 2022 durch Gesetz auf 12,00 Euro erhöht. Dabei wurde gleichzeitig die Grenze für den Minijob von 450,00 Euro auf 520,00 Euro angepasst. Mit der nunmehr geplanten Erhöhung müssen Arbeitgeber eine Anpassung der Stunden bei geringfügig Beschäftigten im Blick behalten, um die Verdienstgrenze bei Minijobs nicht zu überschreiten. Gerne helfen Ihnen unsere Arbeitsrechtsexperten Jane Hohmann und Vivien Demuth bei der Anpassung der Verträge, bei Fragen zur Anwendbarkeit des Mindestlohnes und weiteren Fragen rund ums Arbeitsrecht.

Wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt oder verkehrte Welt im Umgangsrecht?

Das Landgericht Frankenthal entschied am 12.05.2023 (LG Frankenthal, 2 S 149/22), dass der ehemalige Lebensgefährte nach der Trennung Anspruch auf Umgang mit dem gemeinsamen Hund (Labradorrüden) hat. Eine Regelung, wonach jeder der beiden Ex-Partner im zweiwöchigen Wechsel sich um den Hund kümmern darf, sei interessengerecht.

Der Hund ist keine Sache oder doch?

Das LG Frankenthal hat sachenrechtlich entschieden. Beide Lebenspartner waren und sind Miteigentümer des Hundes, der nach § 90a BGB zwar keine Sache ist, aber gleichwohl rechtlich wie eine behandelt wird. Miteigentümern steht die Nutzung ihres Gemeinschaftseigentums dann auch gemeinschaftlich zu – und da man den Hund nicht teilen kann wie ein Stück Brot – war hier eine andere Form des „Umgangs“ zu regeln. Der wechselseitigen „Nutzung“ des Hundes stand auch nicht das Wohl des Hundes entgegen, jedenfalls konnte das Gericht eine solche „Tierwohlgefährdung“ nicht erkennen. Somit war die Entscheidung letztendlich keine echte des Umgangsrechts, sondern eine rein sachenrechtliche Feststellung.

Die Parteien hätten den Fall z.B. auch durch eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft durch Verwertung (Pfandverkauf!) erreichen können. Das war offensichtlich nicht gewollt.

Entscheidend ist immer das Eigentumsverhältnis!

In der Rechtsprechung gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle des Streits um den „Familienhund“. Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 16.04.2019 – 18 UF 57/19) entschied letztlich mit ähnlicher Begründung, in der Sache aber genau anders. Dem Ex-Ehepartner wurde die Zuweisung des Hundes (als Haushaltsgegenstand) verweigert, weil der andere Ex-Partner nach Auffassung des Gerichts Alleineigentümer u.a. aufgrund alleinigen Eintrags in der Übergabeurkunde des Hundes war. Nach § 1568b Abs. 2 BGB steht das Alleineigentum des anderen Ex-Partners aber der Zuweisung entgegen. Eine Überlassung von Gegenständen nach der Rechtskraft der Scheidung kann nur bei gemeinsamen Haushaltsgegenständen verlangt werden. Bei Alleineigentum steht die Sache dem Eigentümer auch alleine zu!

Drum

Wer sich einen Hund zulegt, hat ein Umgangsrecht, wenn er in den Papieren steht!

Equal Pay als Anspruch auf gleiche Bezahlung in der Arbeitnehmerüberlassung – Die Leiharbeit im Lichte der Rechtsprechung des BAG

Häufig greifen Unternehmen auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurück, um vorhandene Lücken im Personalbedarf kurzfristig zu füllen. Hierbei gibt es jedoch sowohl für Entleiher als auch für Verleiher immer wieder große Unsicherheiten, vor allem hinsichtlich der Vergütung eines Leiharbeitnehmers.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung bestätigt, dass durch Tarifverträge der Zeitarbeit vom sog. Equal-Pay-Grundsatz „nach unten“ abgewichen werden kann.

Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz

In § 8 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ist der sog. Gleichstellungsgrundsatz geregelt. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung grundsätzlich Anspruch auf die im Betrieb des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers haben (Grundsatz des Equal Pay und des Equal Treatment). Von diesen Vorgaben kann nach § 8 Abs 2 AÜG ein Tarifvertrag „nach unten“ abweichen, sodass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer eine niedrigere Vergütung zahlen muss. Dies hat das BAG nun in einer neuen Entscheidung bestätigt (BAG, Urteil vom 31.05.2023- 5 AZR 143/19).

In dem entschiedenen Fall ging es um eine teilzeitbeschäftigte Leiharbeitnehmerin, die im Rahmen eines befristeten Vertrags von Januar bis April 2017 an ein Einzelhandelsunternehmen verliehen war und für 2017 nunmehr einen Anspruch auf Differenzvergütung in Höhe von 1.296,72 Euro brutto geltend gemacht hat. Ihr Gehalt betrug zuletzt 9,23 Euro brutto pro Stunde, während ihren Angaben zufolge ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers, sog. Stammmitarbeiter, einen Stundenlohn in Höhe von 13,64 Euro brutto erhalten hat. Die Tarifverträge zwischen der iGZ und ver.di finden auf das Arbeitsverhältnis der Leiharbeitnehmerin Anwendung.

Das BAG hat – nach Vorlage an den EuGH – entschieden, dass die Leiharbeitnehmerin keinen Anspruch auf die gleiche Vergütung wie die Stammmitarbeitenden des Entleihers hat. Aufgrund der Anwendbarkeit des Tarifwerks der iGZ und ver.di war der Verleiher nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Im Zusammenhang mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer genügt das hier anwendbare Tarifwerk den Anforderungen von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Die EU-Richtlinie lässt eine Schlechterstellung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt. Hierzu müssen Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein Ausgleichsvorteil kann etwa die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein, wenn ein Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich ein vertragliches Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehalten hat. Verleihfreie Zeiten sind somit auch in befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich.

Vorliegend sieht das Tarifwerk von iGZ und ver.di eine Fortzahlung der Vergütung auch in verleihfreien Zeiten vor und der Verleiher kann das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten nicht auf den Leiharbeitnehmer übertragen. Auch ist die Abweichungsmöglichkeit vom Grundsatz des Equal Pay gesetzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt. Eine Abweichung „nach unten“ ist somit unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt und die Leiharbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf die Differenzvergütung.

Inbezugnahme eines Tarifvertrags

Bereits 2019 hat das BAG entschieden, dass eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nach § 8 Abs. 1 AÜG („Equal Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nur wirksam ist, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund einer Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist (BAG, Urteil vom 16.10.2019 – 4 AZR 66/18).

Eine lediglich teilweise Inbezugnahme durch punktuelle Vereinbarungen einzelner tariflicher Bestimmungen oder durch Inbezugnahme von Regelungsbereichen oder -komplexen genügt somit nicht, um eine Abweichung vom Gleichstellungsgebot zu erlauben. Unschädlich sind hingegen vertragliche Regelungen über Gegenstände, die tariflich nicht geregelt sind oder die zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen.

Hierbei ist auch zu berücksichtigten, dass eine Anwendung des Tarifwerkes auf das Leiharbeitsverhältnis nur für Zeiten eines Einsatzes bzw. einer Überlassung für die Gewährung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen auch für verleihfreie Zeiten die Regelungen des Tarifvertrags insgesamt anwendbar sein.

Fazit

Leiharbeitnehmer dürfen daher bei Geltung eines Tarifvertrages schlechter bezahlt werden als Stammmitarbeiter beim Entleiher, auch wenn sie dieselbe Arbeit verrichten, wenn der Tarifvertrag ihnen andere Ausgleichsvorteile sichert, wie etwa die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten. Die Entscheidung des BAG setzt die vom EuGH gemachten Vorgaben entsprechend um und gewährt Arbeitgebern mehr Sicherheit beim Einsatz von Leiharbeitnehmern sowie Schutz vor Nachzahlungen an Leiharbeitnehmer und Sozialversicherungsträger.

TikTok – Publicity um jeden Preis & jedes Risiko

Das soziale Netzwerk TikTok erfreut sich immer größerer Beliebtheit, auch bei Unternehmen. Denn insbesondere soziale Netzwerke eignen sich ausgezeichnet, kostengünstig und mit geringem Aufwand für Leistungen und Produkte eines Unternehmens zu werben. Jedoch stellt die Nutzung sozialer Netzwerke, wie auch TikTok, Unternehmen vor allem in Bezug auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen vor immer neue Herausforderungen.

Bei TikTok handelt es sich um ein Videoportal für die Lippensynchronisation von Musikvideos und anderen kurzen Videoclips, das zusätzlich Funktionen eines sozialen Netzwerks anbietet und vom chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben wird. Für Unternehmen besteht die Möglichkeit bei TikTok ein sog. Nutzerprofil “TikTok for Business” anzulegen. Sofern sich das Unternehmen dann einen sog. Business-Account eingerichtet hat, kann es kurze Videoclips erstellen, um beispielsweise neues Personal zu gewinnen oder für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Dabei werden oft die eigenen Beschäftigten in den Fokus gestellt bzw. als Schauspielende herangezogen.

Unternehmen können durch die Veröffentlichung von Videos eine sehr schnelle virale Reichweite erzielen, die deutlich erfolgsversprechender ist als auf anderen Plattformen. Jedoch bringt die Nutzung von TikTok vor allem aus rechtlicher Sicht einige Gefahren mit sich, insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes.

Funktionsweise von TikTok

Wie bereits eingangs erwähnt, wird TikTok vorwiegend dazu genutzt, kurze Videosequenzen hochzuladen, diese Videos mit anderen Nutzern zu teilen und somit den Bekanntheitsgrad des eigenen Unternehmens zu erhöhen. Hierzu kann sich der Nutzer auch der von TikTok zur Verfügung gestellten Musik und Filtern bedienen, um die Videos zu bearbeiten und anzupassen. Vor dem Hochladen des fertiggestellten Videoclips können zudem Produkte oder auch Personen verlinkt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Option „Stitch“ auszuwählen, wonach Teile des eigenen Videos von anderen Nutzern auf TikTok mit deren Videos kombiniert werden können.

Nach Erstellung eines Videos erhält der Nutzer die Möglichkeit, das Video mit anderen Nutzern entweder privat (nur mit Nutzern, denen selbst gefolgt wird) oder öffentlich (für alle Nutzer sichtbar) zu teilen.

Sind Videos erst einmal veröffentlicht, können sie von anderen Nutzern geliked, kommentiert, gespeichert oder auch auf anderen sozialen Kanälen geteilt werden. Auch ist es anderen Nutzern möglich, ein von einem Unternehmen für die Öffentlichkeit hochgeladenes Video für den eigenen Kanal zu bearbeiten und anschließend selbst zu veröffentlichen. Teilen Nutzer das Video beispielsweise auf Twitter, erscheint das Video zunächst mit der Abbildung der ersten Videosequenz unter dem Bereich “Tweets” des Twitteraccounts. Zudem kann der Link des Videos auch per WhatsApp, den Facebook Messenger und weiteren Apps von anderen Nutzern an beliebige Dritte gesendet werden.

Die Datenerhebung durch TikTok

Aus datenschutzrechtlicher Sicht äußerst bedenklich ist vor allem das „direkte“ oder „indirekte“ Sammeln und Verarbeiten zahlreicher Nutzerdaten durch TikTok. Hierunter fallen beispielhaft folgende vom Nutzer bereitgestellte Daten:  

  • Name
  • Telefonnummer
  • E-Mail-Adresse
  • Name des Unternehmens und dessen Sitz
  • IP-Adresse

TikTok weist in seiner „privacy policy“ darauf hin, dass in einigen Fällen auch geschäftliche Informationen, wie z.B. berufliche Kontaktdaten gespeichert werden. TikTok führt in seiner „privacy policy“ jedoch nur eine beispielhafte Aufzählung an Nutzerdaten an, die gespeichert und ggf. verarbeitet werden. Damit herrscht eine große Unsicherheit, welche Daten konkret von dem jeweiligen Nutzer durch TikTok gespeichert und ggf. weiterverarbeitet werden.

Weitergabe der personenbezogenen Daten

Kritisch zu sehen ist die Weitergabe der erhobenen, personenbezogenen Daten durch TikTok an andere Unternehmen. So gibt die Plattform z.B. sämtliche erhobenen Daten an Drittanbieter weiter, die TikTok dabei helfen, die Werbung auf der Plattform zu messen und den Werbetreibenden dabei zu unterstützen, die Wirksamkeit ihrer Werbung zu ermitteln. Weiterhin werden durch TikTok die erhobenen personenbezogenen Daten an Geschäftspartner, andere Unternehmen der gleichen Gruppe, Analyseanbieter und viele mehr weitergegeben. TikTok weist in seiner „privacy policy“ ausdrücklich darauf hin, dass die Daten an Unternehmen in den Ländern, wie die USA, Hongkong und Singapur weitergeben und dort entsprechend gespeichert werden. Es ist hierbei oft völlig unklar, zu welchen Zwecken die anderen Unternehmen die personenbezogenen Daten übermittelt bekommen und anschließend verarbeiten.

Rechtliche Herausforderungen

1. Veröffentlichung von Werbevideos unter Einbeziehung von Beschäftigten als Darsteller

Unternehmen verwenden TikTok vor allem zu Werbezwecken. Dabei werden oft Videoaufnahmen von und mit Beschäftigten erstellt. Nachfolgend zeigen ausgewählte Beispiele, welche Herausforderungen sich hieraus ergeben können.

1.1 Die Einwilligung beteiligter Personen
Sofern Bild-, Video-, und Tonaufnahmen von Beschäftigten durch das Unternehmen angefertigt werden, muss hierfür eine Einwilligung von der betroffenen Person eingeholt werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich ist hierbei, ob eine solche Einwilligung von den Beschäftigten überhaupt eingeholt werden sollte, da durch die Nutzung und das Hochladen eines Videos auf TikTok ggf. bereits datenschutzrechtliche Grundprinzipien nicht eingehalten werden können.

1.2 Widerruf der Einwilligung und das Recht auf Löschung
Selbst wenn das Unternehmen eine Einwilligung von den Beschäftigten eingeholt hat, stellt sich bei der Verwendung ein weiteres Problem hinsichtlich der Durchsetzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person gem. Art. 17 Abs. 1 lit. b DS-GVO. Diese Norm schreibt u.a. eine unverzügliche Löschung personenbezogener Daten vor, wenn die Verarbeitung auf eine Einwilligung gestützt und diese anschließend widerrufen wurde und es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Widerruft die beschäftigte Person nach Veröffentlichung des Videos seine Einwilligung, so hätte der Arbeitgeber das Video auf TikTok unverzüglich zu löschen. Zwar ist die Löschung des Videos auf TikTok durch den Nutzer, der das Video hochgeladen hat, auf dem Unternehmensprofil jederzeit möglich, allerdings ergibt sich hierbei das Problem, dass das von dem Unternehmen hochgeladene und inzwischen wieder gelöschte Video bereits durch andere Nutzer entweder auf TikTok oder auf anderen sozialen Netzwerken geteilt, gespeichert oder anderweitig verbreitet worden sein kann.

Gemäß der Datenschutzerklärung von TikTok kann der Nutzer TikTok zumindest darum bitten, die Daten ganz oder teilweise auf der Plattform zu löschen. Ob TikTok diesem Versprechen tatsächlich nachkommen wird bzw. überhaupt kann, ist aber mehr als fraglich. Infolge dessen wird es das Unternehmen als Arbeitgeber schwer haben, den gesetzlichen Löschungsanspruch der Beschäftigten nach erklärtem Widerruf der Einwilligungserklärung in der Praxis (rechtssicher) zu erfüllen.

2. Übermittlung der Daten an Drittländer

Wie eingangs näher beschrieben, werden alle erhobenen Daten der Nutzer der gesamten Unternehmensgruppe weitergegeben.

Darüber hinaus werden (personenbezogene) Daten in weitere, sog. “unsichere Drittländer” mit Sitz in Singapur oder den USA übermittelt, welche das in der EU geltende Datenschutzniveau nicht garantieren können.

TikTok nutzt zudem den Dienst Appsflyer, um Nutzerdaten zu sammeln und die Werbung entsprechend anzupassen. Dabei ist derzeit unbekannt, wohin die Daten von Appsflyer verteilt werden. Der Dienst nennt über 4.500 mögliche Partnerfirmen, die auf die Daten zugreifen können.

3. Beteiligung von externen Dritten an Videos

Weitere Herausforderungen ergeben sich, wenn das jeweilige Unternehmen nicht die eigenen Beschäftigten in die Videoaufnahmen einbezieht, sondern externe Dritte (z.B. Influencer oder Models) zur Mitwirkung an den Videos beauftragt. Hierbei sind nicht nur die Vorgaben der DSGVO zu beachten, sondern auch vertragliche Beziehungen und weitere Gesetze. Für diesen Fall ist eine umfassende Rechtsberatung erforderlich, bei der Ihnen das Team von MKM LEGAL weiterhelfen kann.

Fazit

Die Nutzung von TikTok für geschäftliche Zwecke ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht mit vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden. Wenn Sie mehr über die unternehmerische Nutzung von TikTok erfahren möchten und auf Ihre Anforderungen hin konkrete Handlungsempfehlungen wünschen, kontaktieren Sie uns gern.

Strandbäder in Italien – eine vergaberechtsfreie Enklave in der EU?

Jeder, der schon einmal Badeurlaub am Meer in Italien gemacht hat, wird sie kennen: die Strandbäder („Bagni“), eine italienische Institution, die oft von Familien betrieben und unterhalten werden. Rund 30.000 solcher Badeanstalten gibt es in Italien. Oft bestehen sie aus Restaurants, Kiosken, bis hin zu Wohnungen zur Vermietung oder zum eigenen Gebrauch. Bisher hat der italienische Staat die Konzessionen zum Betrieb der Strandbäder ohne Beachtung des europäischen Vergaberechts verlängert.

Seit Erlass der sog. Bolkestein-Richtlinie aus dem Jahr 2006 (Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG) zur Liberalisierung von Dienstleistungsmärkten war absehbar, dass Italien nicht darum herumkommen wird, die Strandbadkonzessionen unter Beachtung des Vergaberechts auszuschreiben. Denn gemäß Art. 12 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten bei der Vergabe von Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften ein Verfahren zur Auswahl der Bewerber durchführen, wenn die Zahl der für eine bestimmte Tätigkeit verfügbaren Genehmigungen aufgrund der Knappheit der natürlichen Ressourcen begrenzt ist.

Auch politisch war das Thema seitdem ein Dauerbrenner in Italien. Die Strandbadbetreiber haben sich vehement gegen die Einführung von Vergabeverfahren gewandt. Insbesondere waren sie der Ansicht, dass sie schließlich in „ihre“ Strandbäder auch investiert haben.

Die politischen Parteien haben teilweise Wahlkampf damit betrieben, sich für die Erhaltung der bisherigen Praxis der Konzessionsverlängerung einzusetzen. Die Richtlinie wurde zwar in die italienische Rechtsordnung umgesetzt, zugleich ordnete aber ein Gesetz aus dem Jahr 2018 die Verlängerung der laufenden Konzessionen bis zum 31.12.2033 (!) an.

EuGH – Urteil vom 20.04.2023 – Rs. C 348/22

Das Verwaltungsgericht in Apulien legte die Frage, ob die Verlängerung der Konzessionen bis zum Jahr 2033 mit der Richtlinie vereinbar ist und die Richtlinie unmittelbare Anwendung findet, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor.

Der EuGH hat mit Urteil vom 20.04.2023 nun entschieden, dass die Konzessionen für die Nutzung der italienischen Strände nicht automatisch verlängert werden dürfen, sondern in einem neutralen und transparenten Auswahlverfahren vergeben werden müssen. Die maßgeblichen Regelungen der Bolkestein-Dienstleistungsrichtlinie seien unmittelbar anwendbar, bedürfen also keiner Umsetzung durch die italienische Regierung. Entgegenstehende nationale Vorschriften wie die Verlängerung der Konzessionen bis 2033 müssen unangewendet bleiben.

Betroffen sind alle Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer. Es ist insoweit unerheblich, ob sie ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisen oder einen Sachverhalt betreffen, bei dem erhebliche Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinausweisen. Die Ausschreibungen müssen auf objektiven, nicht diskriminierenden, transparenten und verhältnismäßigen Kriterien beruhen.

Damit hat der EuGH ein Machtwort gesprochen und einer entgegenstehenden Rechtsanwendung der italienischen Regierung eine Absage erteilt.

Nostalgie contra Vergaberecht

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung auf die italienischen Badebetriebe auswirkt. Auf der einen Seite kann die Anwendung des Vergaberechts zu faireren Vergaben von Konzessionen führen und die Strandbäderlandschaft positiv beleben, auf der anderen Seite wäre es schade, wenn das besondere Flair der italienischen „Bagni“ verloren ginge und sie zukünftig (auch) von nationalen oder internationalen Ketten betrieben würden.

Vermieter aufgepasst!

Anfang dieses Jahres hat das Statistische Bundesamt das Basisjahr des Verbraucherpreisindexes auf das Jahr 2020 angepasst und aktualisiert. Was es damit auf sich hat und wie die Änderung Sie betrifft, soll dieser Beitrag aufzeigen:

Der Verbraucherpreisindex ist die monatliche Darstellung der durchschnittlichen Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen, die konsumrelevant für private deutsche Haushalte sind. Somit ist dieser monatlich ermittelte Index der wohl zuverlässigste Gradmesser für die Entwicklung der Geldwertstabilität.

Darüber hinaus ist er häufig vereinbarte Grundlage für Mietpreisanpassungen im Rahmen sog. Wertsicherungsklauseln vieler Gewerberaummietverträge in Deutschland. Der Verbraucherpreisindex wird regelmäßig, zumeist alle fünf Jahre, einer Revision unterzogen und auf ein neues Basisjahr umgestellt. Am 22. Februar 2023, nach Veröffentlichung der Ergebnisse für den Berichtsmonat Januar 2023, erfolgte die Umstellung des Basisjahres von 2015 auf das neue Basisjahr 2020.

Durch diese Umstellung wurden vor allem relevante Änderungen der Teuerungsraten der Jahre 2020 bis 2022 berücksichtigt. Für Zeiträume vor Januar 2020 wurden die Teuerungsraten nur auf das neue Basisjahr umgerechnet, hier ergeben sich daher nur rundungsbedingte Änderungen in engen Grenzen. Für bereits in der Vergangenheit vorgenommene Änderungen hat die Umstellung keine Auswirkungen.

Häufig stellt sich Vermietern von Gewerberaum jetzt aber die Frage, wie sie künftig etwaige Mietsteigerungen korrekt berechnen sollen. Es besteht häufig Unklarheit, ob die im Mietvertrag mit einem alten Basisjahr vereinbarte Veränderung des Verbraucherpreisindexes schon erreicht ist und eine Mietanpassung erfolgen kann.

Hier ist zunächst zu prüfen, welche Art von Wertsicherungsklausel im eigenen Gewerberaummietvertrag vereinbart wurde. Früher häufig verwendet wurde die Festlegung eines Punktwertes, der im Verhältnis zum vereinbarten Basisjahr zu sehen ist. Das sind die sog. „Punkteregelungen“, welche nach Umstellung des Basisjahres regelmäßig Probleme bereiten und überaus konfliktträchtig sind.

Daneben gibt es noch die sog. „Prozentregelungen“, welche eine Berechnung unabhängig vom Basisjahr ermöglichen und damit deutlich einfacher in der Anwendung sind.

Das Statistische Bundesamt empfiehlt deshalb seit Jahren, bestehende Punkteregelungen nach Möglichkeit auf Prozentregelungen oder Terminregelungen anzupassen. Hierdurch werden die Prüfung der Regelung und die vorzunehmende Berechnung für Vermieter stark vereinfacht.

Da die Berechnung der Teuerungsraten bei Punktereglungen nicht nur zeitaufwendiger, sondern auch komplizierter ist, hat sich ein ganz neuer Markt an Anbietern entwickelt, welche diese Berechnung gegen teils hohes Entgelt anbieten. Einen bestehenden Mietvertrag von einer Punkteregelung in eine Prozent- oder Terminregelung umzustellen, ist daher nicht nur gemessen am Aufwand, sondern auch finanziell lohnenswert.

Liegt eine Punktregelung vor und ist ein anderes Basisjahr im Vertrag vereinbart, so sind mehrere Rechenschritte nötig, um herauszufinden, ob eine Anpassung schon vorgenommen werden kann. Zunächst müssen die Indexstände des aktuellen Basisjahres auf das ursprünglich vereinbarte Basisjahr umgerechnet werden, danach kann die Veränderung in Punkten geprüft werden, um schließlich die Berechnung der Prozentzahl, um die der Geldbetrag anzupassen ist, vorzunehmen.

Bei der Prozentregelung ist die Umrechnung des Indexes auf ein früheres Basisjahr nicht erforderlich, es kann hier immer mit den aktuellen Indexständen gerechnet werden, da die Prozentregelung vom Basisjahr des Index unabhängig ist. Die Prüfung der Möglichkeit einer Anpassung findet in einem einfachen Schritt statt: Der Indexstand, ab dem angepasst werden kann, ergibt sich aus der Multiplikation des Indexstands des Bezugsmonats mit 1,05 (für eine beispielsweise vereinbarte Veränderung von 5%).

Für diese Berechnung stellt das statistische Bundesamt zudem einen Wertsicherungsrechner unter destatis.de/wsk zur Verfügung, in dem mittels weniger Klicks die Berechnung einfach selbst vorgenommen werden kann. Wer sich unsicher ist oder den Rechner nicht selbst nutzen will, kann die dort angebotene Berechnung für 30,- € auch vom statistischen Bundesamt vornehmen lassen.

Für Punktregelungen können in beiden Fällen nur Berechnungen bis Dezember 2002 als Startmonat vorgenommen werden, spätere frühere Zeiträume werden nicht mehr unterstützt.

Um die hier aufgezeigten deutlichen Nachteile der Punkteregelung zu vermeiden, empfiehlt sich daher, bei neuen Gewerbemietverträgen auf eine rechtssichere Prozentregelung bei der Wertsicherungsklausel zu achten bzw. alte Klauseln entsprechend anzupassen! Bei Letzterem ist insbesondere darauf zu achten, die grundsätzlich nötige Schriftform zur Wahrung der Formwirksamkeit und die allgemein für Wertsicherungsklauseln geltenden Voraussetzungen einzuhalten.

Für Nutzer von Wertsicherungsklauseln, deren Verträge noch auf zwischenzeitlich weggefallene Indizes Bezug nehmen (z.B. für spezielle Haushaltstypen, „früheres Bundesgebiet“, „neue Länder und Berlin-Ost“), ist eine Anpassung der Wertsicherungsklausel bzw. ein rechnerischer Umstieg von diesen Preisindizes auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland ohnehin zwingend notwendig.

Sprechen Sie unser Gewerbemietrechtsteam gerne an, wenn Sie im Zusammenhang mit Ihrer Wertsicherungsklausel Unterstützung benötigen!

Abmahnwelle Google Fonts – Kein Anspruch auf Schadensersatz

Das Landgericht München I befand in seinem Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, dass die automatische Übermittlung von IP-Adressen bei der Nutzung des Dienstes Google Fonts ohne vorherige Einwilligung rechtswidrig ist, und sprach dem Kläger unter anderem Schadensersatz in Höhe von 100,00 € zu.

Anschließend brach in Deutschland eine regelrechte Abmahnwelle los. Die betroffenen Unternehmen wurden mittels anwaltlicher Abmahnung aufgefordert eine Unterlassungserklärung abzugeben und einen Betrag von 170,00 € als Schadensersatz zu zahlen.

Wir haben unseren Mandanten und Kunden geraten, die Abmahnungen zu ignorieren, da wir diese für unbegründet hielten. Unsere Auffassung wurde nun durch das Landgericht München I durch Urteil vom 30.03.2023, Az. 4 O 13063/22, bestätigt. Ob dieses Urteil rechtskräftig ist, ist jedoch nicht bekannt.

Kein Anspruch auf Unterlassung

Das LG München I stellt im Wege der negativen Feststellungsklage zunächst fest, dass seitens der Abmahner kein Anspruch auf Unterlassung besteht, da die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Unterlassungsanspruch im konkreten Fall nicht vorlagen. Dabei urteilte das Gericht – aufgrund der ursprünglichen Entscheidung vom 20.01.2022 wenig überraschend – fest, dass die dynamische Einbindung von Google Fonts gegen das Datenschutzrecht verstößt, wenn die Webseitenbesucher nicht vorab in die Übermittlung der IP-Adresse an Google einwilligen.

Jedoch erkennt das LG München I, dass es an der erforderlichen konkreten Betroffenheit des Abmahnenden fehlte. Das Gericht merkte an, dass der Abmahnende die Webseiten der abgemahnten Unternehmen nicht selbst besuchte, sondern vielmehr einen Web-Crawler einsetzte, um solche Webseiten aufzufinden, die Google Fonts dynamisch eingebunden hatten. Das Gericht führt hierzu prägnant aus:

„Wer Websites gar nicht persönlich aufsucht, kann persönlich auch keine Verärgerung oder Verunsicherung über die Übertragung seiner IP-Adresse an die Fa. Google in den USA verspüren.“

Selbst wenn der Abmahner jedoch tatsächlich alle Webseiten der Abgemahnten Unternehmen selbst besucht hätte, so wären die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruch nach der Ansicht des LG München I dennoch nicht gegeben. Hier begründet das Gericht, dass jemand, der gezielt eine Situation aufsuche, bei der eine Persönlichkeitsverletzung droht, um direkt im Anschluss daraus eigene Ansprüche zu begründen, gerade nicht schutzbedürftig ist.

Zudem erkannte das Gericht fest, dass die Abmahnungen allein der Gewinnerzielungsabsicht dienten und es dem Abmahner gerade nicht um das Aufzeigen und das Verfolgen eines datenschutzrechtlichen Missstands ging. Auch hier wird das Gericht in seiner Formulierung deutlich:

„Das Gericht erachtet es für kaum denkbar, dass eine Privatperson nur aus Verärgerung über einen aus ihrer Sicht gegebenen und weit verbreiteten Datenschutzverstoß von Website-Betreibern den mit der Versendung von mindestens 100.00 Abmahnschreiben verbundenen Aufwand auf sich nehmen wird, nur um auf den von ihm gesehenen Missstand beim Datenschutz aufmerksam zu machen.“

Da die Abmahnung jedenfalls rechtsmissbräuchlich erfolgte, konnte sich das Gericht weitere Ausführungen zum Unterlassungsanspruch sparen.

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 170,00 € besteht nach Ansicht des Gerichts aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht. In der Rechtsprechung ist derzeit umstritten, ob Angstgefühle bzw. Verunsicherungen für sich genommen ausreichen, um einen entsprechenden Anspruch nach Art. 82 DSGVO zu begründen. Im konkreten Fall kommt es nach Ansicht des LG München I auf die Klärung dieser Rechtsfrage gar nicht an, da der Abmahner durch den Einsatz eines Webcrawlers nicht in seinen Gefühlen verletzt werden konnte. Das Gericht führt hierzu aus:

„Wer gar nicht weiß, welche Websites „in seinem Namen“ besucht werden, kann sich überhaupt nicht individuell Gedanken dazu machen, dass ihm aus der Übertragung seiner IP-Adresse Unannehmlichkeiten entstehen könnten.“

Im Übrigen wäre auch ein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund wegen des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.

Fazit

Das LG München I hat die Abmahnwelle mit seinem Urteil vom 20.01.2022 mutmaßlich losgetreten und mit Urteil vom 30.03.2023 nicht nur die Google Fonts Abmahnwelle endgültig beendet, sondern die Hürden für Massen-Abmahnungen im Datenschutzrecht sehr hoch gesetzt.Auch wenn der dynamische Einsatz von Google Fonts ohne Einwilligung rechtswidrig ist, können Abmahnende hierdurch nicht „an das schnelle Geld“ gelangen, indem massenhaft (nach Angaben des Prozessvertreters der „IG Datenschutz“ übrigens eine „niedrige sechsstellige Zahl“) versendet werden.

Autor: Fabian Dechent (Rechtsanwalt)

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der Einführung eines Hinweisgeberschutzsystems

Der Hinweisgeberschutz hat es in Deutschland nicht leicht. Die Richtlinie (EU) 2019/1937 sollte eigentlich bis zum 17.12.2019 von den Mitgliedstaaten umgesetzt sein und Unternehmen ab 250 Beschäftigten sollten bereits verpflichtet sein (sowie ab dem 17.12.2023 Unternehmen ab 50 Beschäftigten), eine interne Meldestelle zu haben. In Deutschland wurde der Gesetzesentwurf am 10.02.2023 vom Bundesrat abgelehnt und am 05.04.2023 der Vermittlungsausschuss konsultiert.

Nachfolgend zeigen wir Ihnen, welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Sie bei der Einführung eines internen Hinweisgebersystems zu beachten haben, um Ihnen die Einführung eines Hinweisgebersystems zu erleichtern.

1. Unterrichtungsanspruch

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat zunächst gemäß § 80 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) über die geplante Einrichtung eines Hinweisgebersystems zu unterrichten. Dieser Unterrichtungsanspruch soll es dem Betriebsrat ermöglichen, eigenverantwortlich zu prüfen, ob Mitbestimmungsrechte bestehen oder weitere Aufgaben des Betriebsrats eröffnet werden.

2. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Der aktuelle Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes lässt dem Arbeitgeber einen weitgehenden Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung des Hinweisgebersystems. So wurde etwa die Frage, wie Verstöße gemeldet werden, vom Gesetzgeber bewusst offengehalten, um die Anforderungen an diejenigen Unternehmen, die erstmalig ein Verfahren zur Meldung von Hinweisen einrichten, möglichst gering zu halten.

Nach der ständigen Rechtsprechung betrifft die Einführung von Verfahren zur Meldung von Verstößen die betriebliche Ordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen der Ordnung des Betriebs ist bereits eröffnet, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das Verhalten der Mitarbeitenden steuern oder die Ordnung des Betriebs gewährleisten sollen. Es ist daher auch mitbestimmungspflichtig, wenn der Arbeitgeber Compliance-Richtlinien oder einen Verhaltenskodex einführen will, da hierdurch das Verhalten der Mitarbeitenden gesteuert werden soll.

3. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Sofern das Hinweisgebersystem mit dem Einsatz von technischen Einrichtungen erfolgen soll, ist zu prüfen, ob das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet ist. Hierfür genügt es, wenn die technische Einrichtung objektiv geeignet ist, Leistung und Verhalten der Mitarbeitenden zu überwachen. Für die objektive Eignung zur Überwachung ist es nicht erforderlich, dass die Daten über Leistung und Verhalten der Mitarbeitenden automatisch erhoben werden. Vielmehr ist es ausreichend, wenn diese manuell eingegeben, die Daten anschließend gespeichert und auf sie zugegriffen werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15).

Da auch im Rahmen des Hinweisgebersystems nicht ausgeschlossen ist, dass Mitarbeitende oder Dritte (z.B. Lieferanten), denen die Möglichkeit zur Abgabe eines Hinweises eröffnet ist, Hinweise abgeben, die Angaben zu Leistung und Verhalten von einzelnen Mitarbeitenden enthalten, ist von einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auszugehen.

4. Mitbestimmung bei Einstellung und Vesetzung

Arbeitgeber, welche die interne Meldestelle in eigener Verantwortung betreiben, müssen sicherstellen, dass entweder bereits vorhandenes Personal mit der Bearbeitung und Entgegennahme von Hinweisen betraut oder neues Personal hierfür eingestellt wird. Im Falle einer Einstellung ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG zu beachten und der Betriebsrat vor der Einstellung entsprechend zu beteiligen.

Wird hingegen bereits vorhandenes Personal für die Bearbeitung und Entgegennahme von Hinweisen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz eingesetzt, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dies eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn darstellt. Eine Versetzung liegt danach vor, wenn die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vorliegt, die länger als einen Monat andauert oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, § 95 Abs. 3 BetrVG. Eine nur unwesentliche Änderung des Aufgabenbereichs genügt nicht für eine Versetzung. Da die beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig agieren müssen, spricht vieles für eine Parallele zur Übertragung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten, die regelmäßig eine Versetzung darstellt (vgl. BAG, Beschluss vom 22.03.1994 – 1 ABR 51/93), sodass ein Mitbestimmungsrecht anzunehmen ist.

5. Beteiligungsrechte nach §§ 96 ff BetrVG

Der Gesetzesentwurf sieht in § 15 Abs. 2 S. 1 RegE-HinSchG vor, dass sicherzustellen ist, dass die beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen. Dies kann nach der Gesetzesbegründung beispielsweise durch geeignete Schulungen erfolgen. Abhängig vom jeweiligen Konzept für die Schulungsmaßnahme ergibt sich das Beteiligungsrecht des Betriebsrats. So sind Schulungsmaßnahmen mit dem Betriebsrat zu beraten und dessen Vorschlagsrechte diesbezüglich sind zu beachten.

6. Fazit

Auch wenn sich die Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes durch die Politik verzögert, ist Unternehmen anzuraten, bereits mit der Einführung eines internen Hinweisgebersystems zu beginnen und den Betriebsrat einzubinden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass im aktuellen Gesetzesentwurf lediglich eine Umsetzungsfrist von einem Monat für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden vorgesehen ist. Gerne unterstützen wir Sie bei der Einführung eines Hinweisgebersystems.

Weitere Informationen zum Hinweisgeberschutzgesetz und dem White Sparrow Hinweisgebersystem können Sie auch in unseren kostenlosen Info-Webinaren „Das neue Hinweisgeberschutzgesetz – aktuelle Anforderungen und Umsetzungstipps“ sowie in unserem regelmäßigen Newsletter erhalten.

Autorin: Jane Hohmann (Rechtsanwältin I Fachanwältin für Arbeitsrecht)